An Rhein und Ruhr. Hochschulen in NRW dürften nach dem neuen Gesetz wieder eine Anwesenheitspflicht einführen. Die meisten Unis wollen das aber nicht tun.

Kurz vor dem Semesterstart im Oktober ist es den Hochschulen an Rhein und Ruhr nun wieder freigestellt, eine Anwesenheitspflicht für Studierende einzuführen. Das erlaubt das neue Hochschulgesetz, das die schwarz-gelbe Landesregierung verabschiedet hat. Die meisten Hochschulen in der Region wollen die Anwesenheitspflicht nicht flächendeckend einführen. An der Uni Köln sollen Studierende darüber mitentscheiden dürfen.

Die Uni Duisburg/Essen plant nach Aussage der Pressestelle keine pauschale Präsenzpflichten. „Wir haben etablierte Verfahren, die sich bewährt haben: Begründete Anträge zur Einführung einer Anwesenheitspflicht werden in den Fakultätsräten und damit unter expliziter Einbindung der Studierenden behandelt. Es wird sondiert, in welchen Veranstaltungen eine Verpflichtung zur Anwesenheit sinnvoll ist“, erläutert Sprecherin Ulrike Bohnsack. Zu solchen Veranstaltungen gehören zum Beispiel Einführungen in wissenschaftliches Arbeiten oder Begleitveranstaltungen zu Praxisphasen bei Lehramtsstudierenden. Welche Anwesenheitspflichten es gibt, sei in der jeweils einschlägigen Prüfungsordnung aufgeführt.

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Ein Sprecher der Uni Köln zeigt sich mit dem neuen Hochschulgesetz sehr zufrieden, unter anderem weil es den Universitäten mehr Freiheiten einräumt. Dazu gehört eben auch, dass das Verbot der Präsenzpflicht aufgehoben wird. Ob die Uni Köln die Studierenden verpflichten wird, an den Veranstaltungen teilzunehmen, wird im kommenden Semester in allen Fachbereichen diskutiert und entschieden – auch in den studentischen Beiräten.

Laborarbeit geht nicht ohne Anwesenheit

In einigen Studiengängen seien Präsenzpflichten durchaus sinnvoll, wie zum Beispiel bei der Laborarbeit, erklärt Uni-Sprecher Patrick Honecker. Andererseits sei den Verantwortlichen durchaus bewusst, dass Studierende anderweitige Verpflichtungen haben. Viele arbeiten nebenbei oder müssen sich um die Kinder- oder Elternbetreuung kümmern.

Die Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf wird keine generelle Präsenzpflicht einführen. „Eine Anwesenheitspflicht dürfe nur mit Bedacht gefordert werden, wenn sie vor dem Hintergrund des konkreten Kompetenzerwerbs begründet ist“, sagt Sprecher Arne Claussen dazu. Dazu zählen Praktika, Präparierkurse in der Anatomie oder diskursive Veranstaltungsformate. Insgesamt begrüßt die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Prof. Dr. Anja Steinbeck, das neue Hochschulgesetz. Es „ist mit Augenmaß gestaltet und überlässt uns mehr Autonomie. Der Streit um die Anwesenheitspflicht und die Zivilklausel sind Fata Morganas; wenn man ihnen näher kommt, verschwinden sie. Ein Kritikpunkt bleibt aber die Ausweitung des Promotionsrechts.“

Promotionsrecht ist ein Streitpunkt zwischen Unis und Fachhochschulen

Das wiederum begrüßt Prof. Dr. Susanne Staude, staatlich beauftragt für die Funktion der Präsidentin an der Hochschule Ruhr-West mit Standorten in Mülheim und Bottrop. Durch die Änderung sollen Studierende auch an Fachhochschulen promovieren können. „Ich freue mich sehr über diese gute Nachricht. Damit erhalten Hochschulen für angewandte Wissenschaften, also auch die Hochschule Ruhr West, über das Graduiertenkolleg das Promotionsrecht. So können wir unseren wissenschaftlichen Beschäftigten eine Perspektive bieten und damit auch unseren eigenen Nachwuchs ausbilden“, meinte Staude.

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Eine generelle Anwesenheitspflicht wird es auch an der HWR nicht geben. „Wir haben Anwesenheitspflichten, zum Beispiel in Praktika. Wie sollte man als Student ein Experiment durchführen und wissenschaftliche Protokolle schreiben, wenn sie nicht persönlich im Labor durchgeführt werden können?“, meint Staude. Vorlesungen dagegen werden aufgezeichnet und im Hochschul-Portal veröffentlicht. Außerdem gibt es Online-Kurse.

Jobben und Kinderbetreuung erschweren die Situation

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Die Westfälische Hochschule mit Standorten in Bocholt, Recklinghausen und Gelsenkirchen hat mit Dekanen und Studierendenvertretern über die Anwesenheitspflicht diskutiert und ist zu dem Ergebnis gekommen, keine allgemeingültige Anwesenheitspflicht einzuführen. „Inwiefern hier für einzelne Veranstaltungen in einzelnen Studiengängen davon Gebrauch gemacht wird, zeigt sich sicherlich in den nächsten Monaten“, erklärt dazu Hochschulpräsident Prof. Dr. Bernd Kriegesmann. „Insgesamt dürfen wir aber ohnehin von unseren Studierenden erwarten, dass sie ohne strikte Verpflichtungen für ihren eigenen Studienverlauf Verantwortung übernehmen und aktiv am Studium teilnehmen. Uns ist aber auch bewusst, dass je nach Situation der Studierenden – zum Beispiel Jobben, Kinderbetreuung etc. – eine strikte Anwesenheitspflicht zu Problemen führen könnte.“