Am Niederrhein. . Fachleute freuen sich über die Brut der Seeadler. Zwei Jungtiere sind flügge. Die Altvögel leben seit drei Jahren auf der Bislicher Insel.
Jetzt müssen sie alles lernen, was sie fürs Leben brauchen – Beute schlagen etwa. In den Gewässern rund um die Bislicher Insel bei Wesel locken fette Karpfen, da wird man als Seeadler schon mal gut von satt. Die Jungtiere, zwei an der Zahl, lernen von ihren Eltern. Ende April waren sie geschlüpft. Seit einigen Wochen sind sie flügge und gut entwickelt, wie Naturschützer berichten. Mit ihren Eltern brechen die jungen Seeadler zu Erkundungsflügen ins nähere Umland auf.
Seeadler sind imposante Tiere. Mit bis zu 2,40 Meter Flügelspannweite zählen sie zu den größten Greifvögeln Europas. Familienglück bei ihnen – das hat es auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen schon lange nicht mehr gegeben. Seeadler gelten hier seit 200 Jahren als ausgestorben (und damit sogar länger als der Wolf!). Jetzt gibt es auf der Bislicher Insel, die zum Gebiet des Regionalverbandes Ruhr (RVR) gehört, die erste erfolgreiche Brut.
Junge oder Mädchen? Das ist bei den Jungtieren noch unklar. Als sicher gilt, dass sie im Herbst ihre Eltern und die Region verlassen werden. „Wir hoffen, dass die Alttiere im nächsten Jahr wieder hier brüten werden“, sagt Ingbert Schwinum. Er ist einer der ehrenamtlichen Naturschützer, die Brut und Aufzucht dokumentiert und drohende Störungen frühzeitig gemeldet haben. Ihnen gilt das besondere Lob der Fachleute. Junge Seeadler-Familien sind sehr sensibel, brauchen unbedingte Ruhe.
Sehr gute Bedingungen auf der Bislicher Insel
RVR, Kreis Wesel und Biologische Station haben die Brut begleitet. Thomas Kämmerling, Leiter des RVR-Eigenbetriebs Ruhr Grün, wertet die erfolgreiche Brut als Sensation. Er bittet um Verständnis: „ Damit die Altvögel das Naturschutzgebiet nicht mehr verlassen, müssen wir ihnen den erforderlichen Schutz vor Besuchern bieten, sodass sie auch in Zukunft Nachwuchs bekommen können.“
Dass Seeadler strenggeschützt sind, hat seinen Grund. In den 60er Jahren hatte es in der Bundesrepublik nur noch vier und in der DDR etwa 60 Brutpaare gegeben. Mittlerweile hat sich der Bestand wieder etwas erholt, deutschlandweit wird von etwa 700 Brutpaaren ausgegangen. Die Unterschutzstellung von Greifvögeln hat auch den Seeadlern geholfen, ebenso das Verbot des Insektengifts DDT. Die weitaus meisten Brutpaare gibt es in Norddeutschland.
Der Niederrhein ist Vogelschutzgebiet. Die Altvögel auf der Bislicher Insel haben zwar erst jetzt gebrütet, sind aber schon länger vor Ort – seit etwa drei Jahren. Einer verfügt zwar über einen Ring; woher die beiden Altvögel ursprünglich stammen, ist dennoch unklar. Eine Vermutung: aus den nahen Niederlanden. Auch dort erholt sich der Seeadler-Bestand.
Große Reviere
Dass die Seeadler am Niederrhein gleich zwei Jungtiere großziehen, werten Experten als gutes Zeichen. „Gewässer, offene und weite Flächen, aber auch alter Baumbestand, das Nahrungsangebot – die Landschaft passt zu den Ansprüchen der Seeadler“, sagt Birgit Königs vom Naturschutzverband Nabu. Sie ernähren sich von Fischen und Entenvögeln, sowie von Aas. Seeadler benötigen Ruhe und viel Platz. Ein Revier kommt schnell auf 60 Quadratkilometer Größe.
Könnte die erfolgreiche Brut der Beginn eines eigenen Seeadler-Bestandes in NRW sein? Fachleute sind vorsichtig. „Ich hoffe auf ein weiteres Brutpaar in den nächsten Jahren“, so Michael Jöbges vom Landesumweltamt (Lanuv). Als denkbare Reviere gelten neben dem Niederrhein die Senne in Ostwestfalen und die Weserauen.
>>>HINTERGRUND: Auch andere Arten kehren zurück
Was Naturfreunde besonders freut: Die Seeadler sind von allein wieder nach NRW zurückgekehrt, also ohne ein spezielles Wiederansiedlungsprogramm mit Auswilderung, wie etwa bei den Bibern oder Lachsen.
Auch andere Tierarten kehren von alleine zurück. Das bekannteste Beispiel sind Wölfe, die zuletzt mehrfach in NRW gesichtet wurden (die NRZ berichtete). Allerdings hat es sich bislang stets um durchziehende Tiere gehandelt. Dass Wölfe tatsächlich ansässig wurden, ist bisher nicht bekannt.
Etwas anders verhält es sich bei Luchsen. Da gibt es Vermutungen, dass im Teutoburger Wald und in der Eifel Tiere tatsächlich wieder ansässig sind – über regelmäßigen Nachwuchs ist freilich nichts bekannt.
Bei den ebenfalls eingewanderten Fischottern hat sich schon wieder ein kleiner Bestand gebildet (mit Nachwuchs). Landesweit ist die Rede von einigen Dutzend Tieren. Schwerpunkt: das Münsterland mit der Lippe.