Kreis Wesel. . Rund 1000 Notrufe gehen hier am Tag ein. Die Mitarbeiter müssen manchmal auch aus der Ferne bei Wiederbelebungsmaßnahmen unterstützen.
Hinein geht es in das, was sich wohl als Herzstück der neuen Kreisleitstelle bezeichnen lässt: in einen Raum, in dem es schwer fällt, den Blick nur an eine Stelle zu heften – so viele Bildschirme auf einmal sind zu sehen. Die vielen visuellen Signale stehen im Kontrast zur Lautstärke – es ist verhältnismäßig still, obwohl an jedem Tisch Telefone bereitstehen. Gelegentlich ertönen verschiedene Tonsignale, an einem Arbeitsplatz telefoniert ein Mann. Es gelte, bei Stress ein ruhiges Arbeitsumfeld zu erreichen, sagt Leiter Volker Schulz. An diesem Mittag herrscht ausnahmsweise kein Stress, aber das ist ein gutes Zeichen. Denn wenn jemand anruft, bedeutet das in der Regel, dass ein Notfall vorliegt. Etwa, dass jemand verletzt ist oder dass es brennt.
„Löwenanteil“ sind die Rettungseinsätze
Von kleineren Vorfällen bis hin zu großen Lagen oder Katastrophen: „Grundsätzlich beginnt jeder Einsatz in der Leitstelle“, sagt Volker Schulz. Er leitet die Einrichtung des Kreises seit 16 Jahren und weiß daher: So ruhig wie an diesem Mittag bleibt es in der Regel nicht. Rund 1000 Notrufe gehen hier am Tag ein, bei 250 Einsätzen verlässt zeitnah ein Fahrzeug eine der im Kreis eingerichteten Rettungswachen.
Von der Jülicher Straße aus wird alarmiert, Kontakt gehalten und unterstützt. Während bei allen Vorfällen rund um Brandschutz und Hilfeleistungen die Kommunen für die Gefahrenabwehr zuständig sind, ist „der Kreis Träger des Rettungsdienstes“, so Schulz. Das sei der „Löwenanteil“ der Einsätze, die er auf etwa 77 000 in 2017 beziffert.
Viele Stationen bei der Ausbildung
Uwe Grans ist an diesem Tag Dienstgruppenführer. An seinem Arbeitsplatz stehen vier Monitore sowie eine weitere kleine Anzeige direkt neben Tastatur und Maus. Hier kann er sehen, welche Einsätze laufen und wie viele Fahrzeuge unterwegs sind, hat eine Karte parat, um Einsatzorte einzusehen und die ausgerückten Teams etwa über Straßensperren zu informieren. Wie er da den Überblick behalten kann? Man brauche ein bisschen Übung, um reinzukommen, „aber deswegen haben wir auch eine lange Ausbildung“.
Er selbst war 20 Jahre bei der Berufsfeuerwehr in Oberhausen tätig. Diese Erfahrung ist nur ein Teil der Voraussetzungen, welche die Mitarbeiter hier erfüllen müssen – und die Liste ist lang: Ausbildung in einem Handwerk, Ausbildung zum Berufsfeuerwehrmann, Führungsausbildung, mindestens eine Ausbildung zum Rettungsassistenten, Berufsleitstellenlehrgang. „Dann findet hier nochmal ein halbes Jahr Ausbildung statt“, sagt Schulz. Auch tiefgreifende medizinische Kenntnisse sind notwendig, da die Mitarbeiter die Situationen am Telefon entsprechend einschätzen müssen, manchmal sogar am Telefon Hilfestellung geben, wenn Wiederbelebungsmaßnahmen erforderlich sind.
Neues Gebäude zu diesem Zweck errichtet
Das Gebäude an der Jülicher Straße, in dem die Mitarbeiter der Kreisleitstelle im vergangenen November ihre Arbeit aufgenommen haben, ist nur zu diesem Zweck errichtet worden. Im Gebäude ist ein Rettungswagen untergebracht, von dem aus mobile Kommunikation möglich ist. Hier gibt es Sozialräume für die Mitarbeiter, die in 24-Stunden-Schichten arbeiten und so Küche, Sitzgelegenheiten, TV-Raum und Sportgeräte nutzen können. Denn das Gebäude dürfen sie während ihres Dienstes nicht verlassen.
8,5 Millionen Euro kostete der Neubau, rund drei Millionen Euro flossen in die neue Technik, das Ausfallsicherheitskonzept wurde etwa verbessert. Die Technik unterstütze bei der Arbeit, sagt Armin Hilger. Schwierig werde es bei Notrufen von ausländischen Mitbürgern, die nicht gut Deutsch sprechen, berichtet er. Oder, wenn jemand am Telefon hysterisch sei: „Man muss ja schnell herausfinden, wo der Notfall passiert ist“, sagt er. Da werde man unruhig. „Aber das ist zum Glück nicht die Regel.“
Bei Großlagen herrscht Dauerstress
Nicht die Regel sind auch große Lagen oder gar Katastrophen wie das Issel-Hochwasser vor zwei Jahren. In der neuen Leitstelle war etwa der Sturm Friederike, der im Januar dieses Jahres wütete, eine besondere Herausforderung. „Von jetzt auf gleich gehen hier dann 3000 Notrufe ein“, sagt Volker Schulz. Vom abgefallenen Ast, vollgelaufenen Keller, Brand bis hin zum Herzinfarkt – dann gilt es für die Mitarbeiter, die dringendsten Notfälle zu filtern.
Der hinabgestürzte Ast sei ärgerlich, sagt Schulz, aber alles, was keine direkte Gefahr darstellt, muss erstmal hinten anstehen. „Es wäre gut, wenn die Bevölkerung bei solchen Lagen nicht für Kleinigkeiten anruft.“ Denn dann herrscht Dauerstress – und es ist wichtig, dass die lebensbedrohlichen Fälle nicht in der Masse untergehen, so dass die Rettungskräfte schnell ihre Arbeit erledigen und Menschen retten können.
Leitstelle gibt es seit 16 Jahren in dieser Form – rund 130 000 Einsatzeröffnungen im Jahr
Wie Arno Hoffacker, stellvertretender Leiter, berichtet, kam es in den vergangenen vier Wochen zu rund 120 Feuerwehreinsätzen, die im Zusammenhang mit der anhaltenden Trockenheit standen. Die Rettungseinsätze aufgrund der hohen Temperaturen seien aber der Jahreszeit entsprechend gewesen, sagt Hoffacker.
Seit 16 Jahren sind die Aufgaben der Kreisleitstelle zentral organisiert, zuständig ist die Leitstelle demnach für rund 500 000 Einwohner – im Kreis Wesel und in den Randgebieten. Denn der Notruf ist an die Vorwahlen gekoppelt und so gehört etwa auch Duisburg-Baerl mit zum Zuständigkeitsbereich der Weseler.
Im Jahr gibt es im Schnitt rund 130 000 Einsatzeröffnungen, bei 80 000 davon erfolgt eine Einsatzfahrt.
Inzwischen kann die Leitststelle auch Warn-Apps wie „Nina“ und „Biwapp“ über „MoWas“, das Modulare Warnsystem, mit kreisspezifischen Informationen versorgen.