Voerde. . RWE hat die zweite Generatorhülle demontiert. In Minischritten wurde der Riese aus dem hoch gelegenen Maschinenhaus nach unten befördert.

109 Stufen geht es hinauf in das Maschinenhaus des stillgelegten Steinkohlekraftwerkes – offenkundig ist der Aufzug nicht mehr in Betrieb. Das Ziel liegt auf der „13,5-Meter-Ebene“ – und von dort muss ein ausgedienter Maschinenriese mit 400 Tonnen Gewicht, zirka 13 Metern Länge und einem Durchmesser von etwa vier Metern ganz nach unten befördert werden, um am Ende per Schwertransport die Reise über Straßen und Wasser antreten zu können. Soeben hat die von langer Hand geplante und seit sieben Uhr morgens laufende Aktion ihren schwierigsten Moment erreicht: Der unter Einsatz einer Hubvorrichtung über dem Boden „schwebende“ Koloss muss an dieser Stelle um 90 Grad gedreht werden, um durch die Öffnung zu passen, über die es dann in Minischritten nach ganz unten geht.

RWE schickt den zweiten Generatorstator auf die Reise

Es ist der zweite Stator, der stehende Teil eines zur Stromerzeugung dienenden Generators, den RWE – neben der Steag Eigentümerin des Voerder Kraftwerksgeländes – demontiert hat, um diesen dann an anderer Stelle als strategisches Reserveteil vorzuhalten. Vor der Aktion am Freitag waren die Anbauteile der Maschine abgebaut worden. Dazu gehören etwa Induktor, Stromdurchführungen, Lager, Wellendichtringe, Wasserstoffkühler, Gasführungselemente, die Messtechnik zur Überwachung der Anlage oder Fundamentanker.

Generator: Vorbereitung zum Abtransport

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    Bevor der Stator (auch Hülle genannt) des Generators von oben aus dem Maschinenhaus hinunter befördert werden konnte, waren umfangreiche Vorbereitungen zu treffen: Diese begannen mit der statischen Berechnung der Gebäude und der einzusetzenden Hubtechnik. Dann wurde ausgearbeitet, an welchen Standorten der Generator aus Voerde in Anbetracht der technischen Vergleichbarkeit zum Einsatz kommen könnte. Darüber hinaus galt es, technisch nachzuweisen, dass die Gebäude und das für den Transport im Maschinenhaus aufgebaute Hub-Gerüst eine Last von 400 Tonnen tragen können, wie Projektleiter André Salten von den Technischen Diensten der RWE Power AG erläutert.

    Die Planungen dauerten etwa ein Jahr

    Die Planungen hätten inklusive Erstellen der Ausschreibungsunterlagen und Vergabe etwa ein Jahr gedauert, die Vorarbeiten vom Demontagebeginn bis zum Hub rund drei Monate. Mit dem im Maschinenhaus verbauten Kran hätte die Generatorhülle nicht befördert werden können, da dieser nur eine Tragkraft bis 170 Tonnen hat. Der Stator wiegt mehr als das Doppelte. Um den Riesen durch besagte Öffnung nach unten manövrieren zu können, wurde eigens eine Traverse zum Drehen des Generatorstators entwickelt und gebaut, wie Projektleiter Salten ausführt.

    Dies war der angestammte Platz des Generators im Kraftwerk Voerde.
    Dies war der angestammte Platz des Generators im Kraftwerk Voerde. © Heiko Kempken

    Bereits am Donnerstag war der Riese kurz angehoben worden, um zu schauen, ob die Technik funktioniert und ob der Stator sich im Laufe der Jahrzehnte mechanisch in Folge von Rostbildung mit dem Fundament verbunden hat. In dem Fall wäre die Last zu hoch gewesen und der Hubvorgang automatisch abgeschaltet worden.

    Generator wurde im vergangenen Jahr konserviert

    Die Suche nach einer Folgenutzung von Kraftwerkskomponenten beginnt nach Angaben von Wolfgang Pohl, verantwortlich für den RWE-Teil des stillgelegten Kraftwerkstandortes in Voerde, bereits, bevor das Kraftwerk außer Betrieb geht. „Das ist erforderlich, da manche Komponenten unbrauchbar werden, wenn sie nicht mehr mit Öl gefüllt sind (wie zum Beispiel die Transformatoren), oder sogar nur längere Zeit ohne Stromversorgung sind, wie zum Beispiel die elektrischen Schaltanlagen.“ Wer solche Komponenten weiter nutzen wollte, habe sich bereits 2017 dafür entscheiden müssen. Der jetzt ausgebaute Generator sei deshalb schon im vergangenen Jahr konserviert worden. Es gebe aber auch Komponenten, die nicht unbrauchbar werden und möglicherweise noch einen Abnehmer fänden. So werden, wie Pohl ankündigt, die Geräte auf dem ehemaligen Kohlenlagerplatz in den kommenden Wochen demontiert und einer externen Nutzung zugeführt.

    Die zweite Generatorhülle indes wird zum RWE-Braunkohlekraftwerk Neurath gebracht – wo diese im Fall eines schwerwiegenden Generatorschadens zum Einsatz käme. Die Neuanfertigung würde ein bis zwei Jahre dauern und der betroffene Kraftwerksblock stünde in der Zeit still.

    Die Generatorhülle ist über der Öffnung postiert, durch die es jetzt in Minischritten nach ganz unten auf Straßenniveau geht.
    Die Generatorhülle ist über der Öffnung postiert, durch die es jetzt in Minischritten nach ganz unten auf Straßenniveau geht. © Heiko Kempken

    Peu à peu wird der Riese nach seiner 90-Grad-Drehung durch die Öffnung abgesenkt. Pro Hub werden zwischen sieben und zehn Zentimeter zurückgelegt, wie Projektleiter André Salten erklärt. Entsprechend lange dauert es, bis die Generatorhülle ganz unten auf der dort ausgefahrenen Verschubbahn ankommt, über die der Koloss später nach draußen befördert wird. Um 17.15 Uhr dann hat der Riese sein erstes Etappenziel erreicht...

    >>Info: Transportstart voraussichtlich am 7. September

    Voraussichtlich am 7. September verlässt der zweite Generatorstator das stillgelegte Kraftwerk Voerde zunächst zur Nato-Rampe am Rhein bei Mehrum. Dies setzt voraus, dass der Rheinpegel in dieser Zeit nicht weiter abfällt, denn dann könnte das Ponton-Schiff nicht an der Nato-Rampe anlegen, heißt es seitens RWE.

    In Kürze sollen die Planungen zum Abbau der Kohlebandbrücke beginnen, die über die Frankfurter Straße führt. In dem Zusammenhang müsse ebenfalls einer der Strommasten entfernt werden, erklärt der Konzern.