Am Rhein. . Am Niederrhein erreichen die Pegel mittlerweile fast überall neue Negativrekorde. Experten fürchten, dass das in Zukunft häufiger passiert.

Tomaten! Es wachsen tatsächlich Tomatensträucher am Rhein – direkt an der Grenze zu Holland. Am Strand. Auf den beeindruckenden Sandbänken, die der Strom – es ist immer noch ein Strom – so freimütig entblößt wie noch nie. Man könnte fast weitere Zutaten für eine Pizza zusammensuchen. Muscheln gibt es auch. Reichlich. Doch im Falle der Tomaten wie der Muscheln waren die Vögel schneller. Oder die Muscheln waren schon abgestorben.

Pegelstand und Wassertiefe sind lange nicht dasselbe

Nein, es ist nicht acht nach zwölf für den Rhein. Pegellesen geht anders. Hier zeigt die Pegeluhr in Emmerich am Rinnsal, äh, am Rhein 16 cm. Der kleine Zeiger gibt Meter an, der kleine Dezimeter. Prognose für Dienstag: 3 cm – der Nullpunkt naht. Was nicht heißt, dass man den Rhein durchwaten kann.

Auch beim Niedrigwasser vor 15 Jahren berichteten Forscher von großflächigem Muschelsterben. Vor allem bei der erst seit 1980 aus Asien eingewanderten Körbchenmuschel. Unweit der Tomatenpflanzen liegen rostige Fässer im Rhein. Illegal entsorgt oder Zeugen eines Schiffsunglücks? Es gibt reichlich viel zu entdecken an den Rheinstränden. Mittlerweile hat sich der Rhein soweit zurückgezogen, dass der Strand wieder endet – und eine Schlickwüste entblößt.

Wer hier nach Fundstücken sucht, sollte Gummistiefel anziehen. Und vorsichtig sein. Man sackt ein. Und irgendwann kommt das Wasser ja wieder, zumindest aber Wellen vom nächsten der zahlreichen Schiffe, die mit minimaler Fracht noch fahren. Und dann will man nicht so feststecken, wie der Corsa-Fahrer am Altrheinarm bei Griethausen, der sich zu weit in den Sand gewagt hatte.

Der Stumme Zeuge einer Katastrophe

Stummer Zeuge

Wieder aufgetaucht dank des Niedrigwassers: Der stumme Zeuge einer Katastrophe von 1897: „De Hoop“, die Hoffnung, hieß dieser Lastensegler einst, der vor mehr als 123 Jahren im Rhein versank.

Die "Hoffnung" sank

Sechs Boote sollten zwischen Salmorth und Griethausen, Dörfern bei Kleve, eine Ladung Dynamit an Bord nehmen und Richtung Holland transportieren. Nun, es gab einen Zwischenfall, eine Explosion. Und – die „Hoffnung“ sank. Jetzt, aufgrund des historischen Niedrigwassers, ist sie wieder aufgetaucht.

Ein Wrack am Rheinufer

So weit, das man sogar über die Planken laufen kann. Das Wrack liegt am westlichen Rheinufer, bei Stromkilometer 860. Von Schenkenschanz aus ist es eine knapp drei Kilometer lange Wanderung herunter zum Strom.

Ab ins Rheinmuseum

Erstaunlich, wie gut sich das Holz aus dem 19. Jahrhundert gehalten hat. Ankerwinde und Achtersteven des Schiffs sind sogar noch besser erhalten: Sie können im Rheinmuseum Emmerich besucht werden (mo-fr 10- 12.30, mo-do 14-16.30 Uhr).

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Neben der alten Eisenbahnbrücke von Griethausen haben Aufräumer schon den Müll aus dem Flussbett zusammengesucht – Aktionen wie diese finden vielerorts statt. Wenn der Rhein sein Bett räumt, kann man mal durchputzen.

Wer weiß, wann die Gelegenheit wiederkehrt. Ob dieses Niedrigwasser als historisch verbucht wird oder die Zukunft ankündigt. Fest steht: Klimaexperten rechnen mit mehr Extremwettern. Und wer sich die Kurven der Hoch- und Niedrigwässer anschaut, sieht: sie werden zackiger. Hoch- und Niedrigwasser kommen und gehen schneller und heftiger.

Auch überraschend: Rheintomaten. Brauchen allerdings noch ein bisschen Sonne.
Auch überraschend: Rheintomaten. Brauchen allerdings noch ein bisschen Sonne. © Herm

Hydrologen der Uni Koblenz rechnen damit, dass Niedrigwasserereignisse weiter zunehmen werden und empfehlen weniger Tiefgang – beim Schiffbau.

Schon jetzt haben auch Fahrradfähren am Niederrhein kapituliert – so die in Rees. In Bislich wird noch nach Xanten übergesetzt. „Dieses Wochenende fahre ich noch“, sagt Fährmann Dennis Bohländer. „Wie es nächste Woche aussieht, weiß ich nicht. Ich hab schon zweimal Grundberührung gehabt.“

Derzeit fließen am Pegel Emmerich rund 700 Kubikmeter Wasser pro Sekunde nach Holland – 1947 waren es noch weniger. Aber damals strömte der Rhein langsamer, war die Schifffahrtsrinne flacher. Bei Hochwasser wird hier die 15fache Menge gemessen.

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Dass der Rhein – und die Flüsse generell – derzeit wenig Wasser führen, ist normal. Herbst ist meist eine wasserarme Zeit, ebenso kalte Winter: Der Frost frisst das Wasser, sagen die Schiffer. Wann der Rhein sich in seinem Bett also wieder richtig breit machen wird, ist unklar.

Böse wird es, wenn es ein schneereicher Winter wird und es in einem regenreichen Frühjahr taut. Dann schaut der Niederrheiner besorgt hinauf zum Frühjahrsmond und reimt: „Wenn der Mond liegt auf dem Rücken, geht das Wasser über die Brücken“. Abwarten.