Berlin. Fettreduzierte Milchprodukte punkten mit weniger Kalorien. Doch sind sie auch die gesündere Wahl? Ein Experte sagt, worauf man achten muss.
Geliebt, gefeiert und gefürchtet: Milch hat als Lebensmittel schon eine beachtliche Karriere hingelegt. Vom einstigen Werbeslogan der Nachkriegszeit „Milch macht müde Männer munter“ bis hin zu Schlagzeilen über ihre potenziellen Gesundheitsrisiken hat die Milch so manche Höhen und Tiefen erlebt.
Wurden die klassischen Kuhmilchprodukte früher als unverzichtbarer Kalziumlieferant und Symbol für Kraft und Vitalität gepriesen, kam in den letzten Jahren zunehmend Kritik an ihnen auf. Besonders Milchfett geriet ins Visier: Es soll Entzündungsprozesse im Körper fördern und sogar das Risiko für bestimmte Krebsarten erhöhen, hieß es von vielen Seiten.
Doch was ist an diesen Vorwürfen wirklich dran? Sind fettarme Milch-, Käse, Frischkäse oder Joghurt-Varianten tatsächlich eine gesündere Wahl? Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl erklärt, warum Fett nicht gleich Fett ist und warum es wichtig ist, bei fettreduzierten Milchprodukten genauer hinzuschauen.
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Vollmilch hat auch positive Eigenschaften
„Zunächst einmal würde ich gerne mit einem Mythos aufräumen“, sagt Riedl. „Lange dachte man, dass Milchfett ein Risikofaktor für Herz und Blutgefäße ist, vor allem für Arterienverkalkung und koronare Herzkrankheiten.“ Doch mittlerweile hat die Wissenschaft ihre Meinung geändert: Man geht aufgrund von Studien davon aus, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Fetten in der Milch und den beschriebenen Folgen gibt. Personen, die regelmäßig Vollmilch trinken, haben Studien zufolge auch seltener hohen Blutdruck, Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen.
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Denn Vollmilch enthält nicht nur gesättigte Fettsäuren, die im Übermaß als gesundheitsschädigend gelten, sondern auch viele Stoffe, die positiv auf die Gesundheit wirken. Zum Beispiel können bestimmte Fettsäuren in der Milch das schädliche LDL-Cholesterin senken und Entzündungen hemmen. Mineralstoffe wie Kalzium gleichen zudem die Wirkung gesättigter Fette aus. „Auch Vollfett-Joghurt und Käse enthalten durch die Fermentation im Herstellungsprozess Stoffe, die den Blutdruck senken und die Insulinsensitivität verbessern können“, so Riedl.
Fettarm: Weniger Vitamine, weniger Geschmack, mehr Zusätze
Die geringere Menge an Milchfett wirkt sich auch auf andere Bereiche aus: Fettarme Milch und fettreduzierte Milchprodukte enthalten auch weniger fettlösliche Vitamine wie A, D, E und K. Da diese Vitamine für ihre Aufnahme auf Fett angewiesen sind, kann ein niedrigerer Fettgehalt die Effizienz der Vitaminaufnahme im Körper beeinträchtigen. Mineralstoffe wie Kalzium bleiben jedoch in gleicher Menge erhalten. „Auch die Sättigung hängt mit dem Fettgehalt zusammen“, fügt Riedl hinzu. Denn Fett ist ein Nährstoff, der eine hohe Sättigungswirkung besitzt. Durch ihn verweilt Nahrung länger im Magen und hält somit auch länger satt.
Zudem enthalten fettreduzierte Milchprodukte wie Käse, Frischkäse und Joghurt häufig zugesetzten Zucker oder Geschmacksverstärker, um geschmacklich das fehlende Fett auszugleichen. Denn Fett ist ein Geschmacksträger. „Man findet in fettreduzierten Produkten deswegen auch Fettersatzstoffe und Fettaustauschstoffe, wie Zellulose, Gelatine, Dextrine, Gummi und modifizierte Ballaststoffe“, erklärt Riedl.
In ihren sensorischen und physikalischen Eigenschaften sind diese Stoffe ähnlich zu Fett, aber sie liefern weniger Kalorien und Cholesterin. Das Problem: Diese Stoffe können zu Verdauungsbeschwerden führen, sie beeinträchtigen Aufnahme fettlöslicher Vitamine und unter Umständen auch die von Medikamenten.
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Milchprodukte: Weniger Fett nicht automatisch besser
„Was man aber ganz klar sagen muss: Vollfett-Milchprodukte haben auch viele Kalorien“, so Riedl. Wer Kalorien einsparen möchte, kann theoretisch auf fettreduzierte Produkte zurückgreifen. Wichtig: Dabei immer einen Blick auf die Zutatenliste werfen, um sicherzugehen, dass das Produkt nicht durch zugesetzten Zucker ähnlich viele Kalorien hat. Auch für Menschen mit Fettstoffwechselerkrankungen sind fettreduzierte Milchprodukte eine gute Alternative.
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Der Experte warnt jedoch davor, davon auszugehen, dass fettreduzierte Produkte automatisch besser geeignet sind, um das Gewicht zu optimieren als die Vollfettvarianten: „Es gibt Studien, die zeigen, dass der Verzehr von fettarmen Milchprodukten bei der Gewichtsreduktion keine Vorteile gegenüber Vollmilchprodukten hat, wenn die erlaubte Kalorienmenge pro Tag nicht überschritten wird“. Eine Untersuchung zeigte sogar, dass fettarme Produkte bei Kindern und Jugendlichen indirekt zu einer Gewichtszunahme führten, da andere Lebensmittel in größeren Mengen verzehrt wurden, um satt zu werden.
Fettreduzierte Produkte in die Ernährung einbauen – 5 Regeln
Welche Schlüsse lassen sich aus diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen ziehen? Wer häufig zu fettreduzierten Milchprodukten greift, sollte laut Ernährungsexperte Riedl auf folgende Punkte achten:
- Fettarme Produkte sollten immer mit anderen nährstoffreichen Lebensmitteln kombiniert werden. Gute Kombinationen sind etwa: Fettreduzierter Joghurt mit Beeren und Nüssen oder fettreduzierter (Frisch)Käse mit Vollkornbrot und Kresse.
- Gesunde Fette, zum Beispiel aus Nüssen, Fisch oder Olivenöl, gezielt ergänzen. Dabei gegebenenfalls auf die Gesamtkalorienzufuhr und die empfohlene Fettzufuhr achten.
- Auf die empfohlene Proteinzufuhr achten, denn auch Proteine sorgen für eine lange Sättigung und sind essenziell für den Muskelerhalt.
- Auf die empfohlene Ballaststoffzufuhr achten. Ballaststoffe sind wichtig für eine gesunde Verdauung und sorgen ebenfalls für eine lange Sättigung.
- Auf zugesetzten Zucker sowie Fettersatzstoffe und Fettaustauschstoffe achten.
In Deutschland empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) den Verzehr von 500 Gramm Milch und Milchprodukten am Tag. Dabei wird nicht zwischen vollfetten und fettarmen Milchprodukten unterschieden.
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Sie wollen mehr über den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit erfahren? Dr. Matthias Riedl geht im Jahr 2025 mit seinem Programm „Gesunde Ernährung – Einfacher als gedacht“ auf Tour. Dabei spricht er vor allem über den Einfluss der Ernährung auf ein möglichst langes Leben und die eigene Psyche. Geplant sind folgende Termine: 14. März in Berlin (Urania), 16. März in Köln (Gürzenich) und am 19. Juni in Hamburg (Laeiszhalle). Mehr Informationen und Tickets (ab 34,55 Euro) gibt es unter www.neuland-concerts.com und www.eventim.de.
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