Berlin. Hoher Blutdruck wir bei Kindern viel zu selten erkannt. Vor welchen Symptomen Ärzte warnen und wie Eltern rechtzeitig reagieren können.
Bluthochdruck betrifft in Deutschland rund 30 Millionen Erwachsene – und ist damit eine der häufigsten Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Eine oft vergessene Gruppe an Patientinnen und Patienten sind dabei Kinder: Laut der Deutschen Hochdruckliga haben etwa drei Prozent von ihnen einen zu hohen Blutdruck – das entspricht rund 400.000 Betroffenen. Trotzdem bleibt die Krankheit bei vielen Kindern lange unentdeckt.
Dass der Blutdruck bei körperlicher Anstrengung, wie Rennen oder Toben, oder auch bei Stress ansteigt, ist völlig normal. Problematisch wird es jedoch, wenn er dauerhaft erhöht bleibt und auch in Ruhephasen nicht wieder sinkt. Um das zu überprüfen, führen Ärztinnen und Ärzte 24-Stunden-Messungen durch, bei denen ein kleines Gerät den Blutdruck über den Tag verteilt misst. „Dadurch kann der Blutdruck im Alltag des Kindes und vor allem auch im Schlaf beurteilt werden“, sagt Anette Melk, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin mit Spezialisierung auf Nieren- und Hochdruckerkrankungen an der Medizinischen Hochschule Hannover.
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Bluthochdruck bei Kindern: Deswegen ist er so schwer zu erkennen
Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen feste Werte als Referenz dienen, wird der Blutdruck bei Kindern in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Körpergröße bewertet. Wenn der gemessene Wert zu den höchsten fünf Prozent für die jeweilige Vergleichsgruppe gehört, gilt er als hoch. In bestimmten Risikogruppen tritt Bluthochdruck überdurchschnittlich häufig auf: Bei übergewichtigen Kindern sind etwa sieben Prozent betroffen. Bei adipösen Kindern sogar zwölf bis 13 Prozent.
Das Problem: Bei Kindern zeige sich Bluthochdruck selten mit eindeutigen Anzeichen. „Wenn Symptome auftreten, sind sie meist unspezifisch, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Lernschwierigkeiten oder sogar Nasenbluten bei sehr hohem Blutdruck“, erklärt Melk. Ohne eine andere bestehende Erkrankung sei es oft schwierig, Bluthochdruck als Ursache zu erkennen.
Welche Langzeitfolgen ein zu hoher Blutdruck haben kann
Die schnelle und richtige Behandlung von Bluthochdruck sei entscheidend, da er das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und deren Folgen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall, im Erwachsenenalter erhöhe. In schweren Fällen treten bereits bei Kindern Veränderungen an Herz, Gefäßen und Nieren auf. „Wenn es zu solchen Schäden am Herzen oder den Nieren kommt, ist eine medikamentöse Behandlung nötig“, sagt Melk. Allerdings sei dies nicht immer der erste Schritt: Bei übergewichtigen Kindern sollte zunächst das Gewicht reduziert werden, da dies bereits positive Auswirkungen auf den Blutdruck haben könne. Auch regelmäßiger Ausdauersport trage zur Senkung des Blutdrucks bei.
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Neben dem Gewicht gebe es jedoch auch andere Risikofaktoren, die Bluthochdruck begünstigen können. „Es gibt etwa 100 Gene, die das Risiko für Bluthochdruck erhöhen können“, sagt Melk. Deshalb sei auch die Familiengeschichte wichtig. „Wenn in der Familie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Stoffwechselprobleme vorkommen, ist das Risiko höher.“
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Ein höheres Risiko bestehe zudem für Kinder, die bei der Geburt besonders klein waren oder durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden. Weitere Risikofaktoren seien – wie bei Erwachsenen – Rauchen oder Drogenkonsum. In Einzelfällen können auch kuriose Gründe hinter einem hohen Blutdruck stecken: So führe selbst ein übermäßiger Lakritzkonsum mitunter zu auffälligen Messungen. Denn: In Lakritzen sind geringe Mengen an Süßholz enthalten – es gibt der Süßigkeit den typischen Geschmack. Aber Süßholz enthält auch den Pflanzenstoff Glyzyrrhizin. Dieser kann in größeren Mengen den Wasser- und Mineralstoffhaushalt des Körpers verändern, und so den Blutdruck steigern.
Bluthochdruck behandeln: Bei Kindern besonders schwer
Hoher Blutdruck könne zudem auch als Symptom einer anderen Erkrankung auftreten. In solchen Fällen konzentriere sich die Behandlung auf die zugrunde liegende Krankheit, wodurch der Blutdrucks als Nebeneffekt absinke. Die Ärztin empfiehlt deswegen, den Blutdruck von Kindern ab dem dritten oder vierten Lebensjahr bei allen regelmäßigen ärztlichen Kontrolluntersuchungen zu messen. Bei Kindern mit Risikofaktoren oder Vorerkrankungen sollte dies noch früher erfolgen.
Die Behandlung von Bluthochdruck bei Kindern gestalte sich jedoch als schwierig. „Viele neue Medikamente sind nicht für Kinder zugelassen – und das werden sie vermutlich auch nicht, da der Markt zu klein ist“, sagt Melk. Daher müssten Ärztinnen und Ärzte häufig auf ältere Medikamente zurückgreifen – obwohl es bessere mit weniger Nebenwirkungen gäbe. „Deshalb müssen Ärztinnen und Ärzte oft außerhalb der offiziellen Richtlinien arbeiten, da für viele Medikamente keine kindgerechten Zulassungen existieren und es keine Anreize gibt, diese zukünftig zu erforschen.“