Berlin. Kann man Menschen ansehen, ob sie zur Untreue neigen? Anhand von Verhaltensmustern und Intuition schon, meint ein Paartherapeut.
Es gibt Anzeichen, die einem das ungute Gefühl geben, dass der Partner oder die Partnerin fremdgeht: Sei es das hastige Verstecken des Handys, plötzliche Überstunden im Büro oder das Gefühl, aus dem Leben des anderen ausgeschlossen zu sein. Oft bewahrheitet sich auch das immer wiederkehrende Bauchgefühl der Untreue, wie eine australische Studie zeigt.
Ein Diplom-Psychologe erklärt, inwieweit Paare ihrem Bauchgefühl trauen können und welche Anzeichen auf einen untreuen Partner hindeuten.
Studie zeigt: Untreue Männer erkennt man am Aussehen
Glaubt man einer australischen Studie der University of Western Australia, so kann man schon am Aussehen erkennen, ob ein Mann zur Untreue neigt. Insgesamt 1516 männlichen und weiblichen Studienteilnehmern wurden 189 Fotos gezeigt, davon gut 100 von Männern und knapp 90 von Frauen. Die Befragten sollten einschätzen, ob die abgebildete Person treu oder untreu ist.
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Das Ergebnis: Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer identifizierten Männer mit ausgeprägten männlichen Gesichtszügen als untreu – und lagen damit oft richtig. Denn diese Männer hatten in einer vorangegangenen Befragung angegeben, es mit der Treue nicht so genau zu nehmen oder mehrere Sexualpartner zu haben.
Bei den Frauen fiel es den Befragten dagegen schwerer, die Untreuen von den Treuen zu unterscheiden. Weder besonders weibliche Gesichtszüge noch androgynere Gesichtsformen führten zu einem signifikanten Misstrauen der Befragten – und auch die Selbstauskünfte der abgebildeten Frauen zeigten keinen Zusammenhang zwischen Untreue-Neigung und Gesicht. So lag die Trefferquote bei den Frauen zwischen etwa 1 und 4 Prozent, bei den Männern zwischen 14 und 18 Prozent.
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Fremdgeher entlarven: Wie zuverlässig ist das Bauchgefühl?
Die Forscher erklären das oft zuverlässige Bauchgefühl der Befragten damit, dass Männer mit maskulinen Gesichtern generell als attraktiver wahrgenommen werden. Dies könnte unbewusst dazu führen, dass solche Männer als untreuer eingeschätzt werden, da sie potenziell mehr Auswahl an Sexualpartnern haben. Mehr noch: Die Forscher vermuten, dass diese Einschätzung eine evolutionäre Anpassung sein könnte, um potenzielle Betrüger zu erkennen.
Der Diplom-Psychologe Oliviero Lombardi aus Berlin warnt jedoch davor, jedes Bauchgefühl als Wahrheit zu akzeptieren. Das Bauchgefühl könne auch durch Angst initiiert werden, wenn man etwa zur Eifersucht neige. „Realität ist ein Konstrukt. So konstruiert man sein eigenes Bauchgefühl eben auch selbst. Und man neigt eher zu einem negativen oder pessimistischen Bauchgefühl, wenn man selbst unsicher ist.“, so Lombardi.
Er betont, dass der Unterschied zwischen einem rationalen Gedankengang und einem instinktiven Drang nicht immer leicht zu erkennen sei. „Man muss also bei jeder Situation versuchen zu unterscheiden: Was hat mein Bauchgefühl mit mir selber zu tun? Und was wird tatsächlich durch den Partner ausgelöst?“, erklärt der Psychologe. Wer unsicher ist, ob das Bauchgefühl auf eigener Unsicherheit oder echter Intuition beruht, sollte im Hinterkopf behalten, dass „bei der Intuition auch Lebenserfahrung eine Rolle spielt“. Ein Beispiel hierfür sei, dass jemand, der schon einmal betrogen wurde, Parallelen zu den Verhaltensweisen früherer und aktueller Partner ziehen könnte.
Anzeichen für Untreue: Auf die Kombination kommt es an
Nach Ansicht des Diplom-Psychologen gibt es aber auch klare Indizien, die dem schlechten Bauchgefühl zugrunde liegen. Diese Anzeichen seien zwar für sich genommen kein eindeutiges Zeichen für einen Seitensprung, in Kombination sollten sie aber misstrauisch machen – vor allem, wenn sie zu einer spürbaren Veränderung des Alltags führen.
Folgende Anzeichen könnten laut dem Psychologen auf einen untreuen Partner hinweisen:
1. Gefühlsschwankungen
Ein erster Hinweis auf einen Seitensprung sei oft das veränderte Verhalten des Partners, sagt Lombardi. Denn den Partner zu betrügen und dabei ständig Gefahr zu laufen, ertappt zu werden, sei für viele Fremdgeher belastend. Gerade wenn der Betrogene Verdacht schöpft, könne der untreue Partner sehr empfindlich und aggressiv auf Nachfragen reagieren. Dieses Phänomen gibt es aber auch umgekehrt: „Manche Menschen versuchen, ihre Untreue durch übertrieben liebevolles Verhalten zu kaschieren“, beobachtet der Psychologe.
2. Plötzliche Veränderung des Aussehens
Auch Veränderungen in der Körperpflege oder im Aussehen können verräterisch sein, warnt Lombardi. Ist der oder die Partnerin plötzlich besonders gründlich? Trägt er oder sie ein neues Parfüm? Oder hat sich der Stil komplett geändert? „Grundlegende Verhaltensänderungen, die plötzlich sehr ambitioniert umgesetzt werden, können ein Indiz dafür sein, dass es eine andere Person im Leben gibt, der man gefallen oder imponieren möchte“, sagt der Experte. Ähnlich verhält es übrigens auch mit dem Sport. Für die Affäre laufen manche wieder zur Höchstform auf, stellt Lombardi fest.
3. Beziehungsroutinen erhalten einen neuen Zeitrhythmus
In einer Beziehung gibt es in der Regel recht feste zeitliche Abläufe. Kommt es zu grundlegenden Veränderungen der ursprünglichen Beziehungsroutine, könne dies auch ein Hinweis auf Untreue sein, meint Oliviero Lombardi. Als Beispiel nennt der Psychologe, dass ein Partner abends immer länger wegbleibt oder plötzlich Überstunden macht. Die sei insbesondere dann verdächtig, wenn dabei eine gewisse Regelmäßigkeit erkennbar sei, so der Experte.
4. Das Sexualleben ist stärker oder schwächer als sonst
Auch das Sexualleben kann sich laut Lombardi durch eine Affäre verändern. "Die Zuneigung, die Wertschätzung und auch die sexuelle Lust nehmen oft ab, weil sie eben woanders befriedigt wird", sagt Lombardi. Das könne entweder zu noch weniger Sex oder zum völligen Stillstand des Sexuallebens führen.
Laut dem Experten kann eine Affäre aber auch das Gegenteil bewirken und zu mehr Sex in der eigentlichen Partnerschaft führen. Dahinter könne ein schlechtes Gewissen stehen, aber beispielsweise auch ein gesteigertes Selbstwertgefühl des Partners durch die Bestätigung von außen.
In diesem Zusammenhang ergab auch eine repräsentative US-Studie mit 495 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass das zweithäufigste Motiv für einen Seitensprung neben Ärger mangelndes Selbstwertgefühl ist. Wenn also im Beziehungsalltag Wertschätzung und Bestätigung durch den Partner fehlen, werde dieser emotionale Ersatz häufig außerhalb der Beziehung gesucht.
So unterschiedlich betrügen Frauen und Männer
Bei den Anzeichen für Untreue gibt es kleine, aber auffällige Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Nicht nur, dass Frauen laut einer repräsentativen Elite-Partner-Umfrage mit 5.600 Teilnehmern inzwischen häufiger fremdgehen als Männer. Der Psychologe Oliviero Lombardi stellt auch fest, dass sich Frauen beim Fremdgehen generell vorsichtiger und weniger extrovertiert verhalten als Männer. „Frauen prahlen in der Regel nicht beim Bier mit ihrer Freundin, dass sie fremdgehen. Bei Männern kommt das schon eher vor“, erklärt Lombardi.
Frauen hätten auch häufiger als Männer ein schlechtes Gewissen, wenn sie fremdgehen. Dieses Schuldgefühl führe oft dazu, dass sie sich in der ursprünglichen Beziehung defensiver und fürsorglicher verhalten als Männer, so Lombardi.
Wie Verdacht auf Fremdgehen ansprechen?
Ob aus dem Bauch heraus oder aufgrund veränderter Verhaltensweisen – wenn der Verdacht auf Untreue besteht, führt kein Weg daran vorbei, den Partner darauf anzusprechen. Denn wie der Diplom-Psychologe Oliviero Lombardi erklärt, ist der Verdacht oder der tatsächliche Treuebruch "ein Indikator dafür, dass in der Beziehung grundsätzlich etwas nicht stimmt".
Deshalb ist es hilfreich, sich vor dem Gespräch über die eigenen Bedürfnisse und Wünsche klar zu werden: Geht es darum, einen Verdacht zu bestätigen, oder will man herausfinden, wie die Partnerschaft gestärkt oder ob sie beendet werden soll? Schließlich, so der Psychologe, sollte das Gespräch nicht nur den möglichen Seitensprung thematisieren, sondern auch darauf abzielen, die Beziehung eventuell wieder zu beleben und zu verbessern – und zwar nicht nur durch passives Zusammensein, wie in Jogginghose vor dem Fernseher abhängen, sondern durch "Quality Time und gemeinsame Erlebnisse", so Lombardi.