Düsseldorf. Kühne Forderung des DGB: NRW müsse 156 Milliarden Euro investieren, um zukunftsfest zu werden. Das ginge aber nur über neue Schulden.

Weil so viele Straßen in Nordrhein-Westfalen marode, Kliniken unterfinanziert und Schulen schlecht ausgestattet sind, fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in NRW massive und über Schulden finanzierte öffentliche Investitionen. Laut einer Studie im Auftrag des DGB müssten in den kommenden zehn Jahren in NRW 156 Milliarden Euro in Gesundheit, Bildung, Klimaschutz, Wohnen und Verkehr fließen, um die „enorme Investitionslücke“ zu schließen.

Strikter Sparkurs ist nach Ansicht des DGB "eine Katastrophe"

„Es ist nicht etwa gut, dass wir keine neuen Schulden machen. Es ist eine Katastrophe“, sagte DGB-Landeschefin Anja Weber am Donnerstag im Landtag über die aus Gewerkschaftssicht fatalen Folgen der Schuldenbremse. NRW lebe zunehmend von seiner Substanz. Darunter litten nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsmarkt, sondern auch die Demokratie: „Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Demokratie ist gefährdet, wenn der Staat nicht mehr als voll handlungsfähig wahrgenommen wird“, meinte Weber.

In den geforderten 156 Milliarden Euro spiegelten sich nicht etwa die Wünsche der Gewerkschaften. Diese Summe umfasse nur Investitionen, die ohnehin notwendig seien, damit die Politik ihre selbst gesteckten Ziele erreichen könne. Nur so könnten zum Beispiel Klimaneutralität bis zum Jahr 2045, genügend Wohnraum und ein zeitgemäßes Mobilitätsangebot geschaffen werden.

Verband Unternehmer NRW warnt vor Experimenten mit neuen Schulden

Die DGB-Studie „Investieren jetzt“ stammt von der Forschungsgruppe für Strukturwandel und Finanz­politik (FSF) aus Hannover. FSF-Mitgründer Torsten Windels, früher Chefvolkswirt der Norddeutschen Landesbank und wie Anja Weber SPD-Mitglied, rät dazu, Finanzierungsmöglichkeiten „unter dem Regime der Schuldenbremse“ zu nutzen, wenn diese Bremse politisch nicht zu lösen sei. Damit ist zum Beispiel gemeint, dass Haushaltsüberschüsse für Investitionen und nicht für die Tilgung von Schulden eingesetzt werden könnten. Neu gegründete öffentliche Gesellschaften, zum Beispiel für Wohnungsbau und Krankenhäuser, könnten trotz Schuldenbremse Geld aufnehmen.

Der Dachverband Unternehmer NRW ist sich zwar mit dem DGB darin einig, dass der Investitionsbedarf „immens“ sei, vor allem beim Verkehr und in der Bildung. Hauptgeschäftsführer Johannes Pöttering warnte aber gegenüber dieser Redaktion davor, die dauerhafte Einhaltung der bestehenden Schuldenregeln in Frage zu stellen.

„Wir müssen immer auch die langfristige Handlungsfähigkeit des Staates fest im Blick behalten. Es ist doch gerade die Verschuldung der vergangenen Jahrzehnte, die uns heute auf die Füße fällt“, sagte Pöttering. „Bevor wir daher über noch höhere Schulden reden, sollten wir erstmal alles tun, um Wachstum und Arbeit in unserem Land endlich wieder zu stärken. Denn das ist der eigentlich zentrale Schlüssel zur Verbesserung der Steuer- und Finanzkraft des Staates.“