Düsseldorf. Die Eifel ist es schon, nun wird ein zweiter Nationalpark gesucht. Das Egge-Gebiet und der Arnsberger Wald zählen zu den Kandidaten,

Gleich drei Regierungsmitglieder starteten am Mittwoch die Suche nach einem zweiten Nationalpark in NRW: Oliver Krischer (Umwelt, Grüne), Mona Neubaur (Wirtschaft, Grüne) und Silke Gorißen (Landwirtschaft, CDU). Sie demonstrierten Einigkeit bei einem in NRW umstrittenen Thema. Die Frage, ob das Land einen weiteren Nationalpark neben dem in der Eifel braucht, ist noch offen.

Was ist ein Nationalpark?

Ein großes und zusammenhängendes Gebiet, in dem sich Pflanzen und Tiere weitgehend ohne menschliche Eingriffe entwickeln können Der erste Nationalpark wurde vor 150 Jahren in den USA eingerichtet: der Yellowstone National Park. In Deutschland gibt es diese Parks seit etwa 50 Jahren, inzwischen sind es 16. Der erste war der Bayerische Wald (1970), zu den besonders bekannten zählen das Wattenmeer, der Nationalpark Schwarzwald und seit 20 Jahren der Nationalpark Eifel in NRW.

Die interaktive Übersicht der möglichen Parks:

Die Kriterien für einen Nationalpark regelt das Bundesnaturschutzgesetz. Während international eine Mindestgröße von 10.000 Hektar empfohlen wird, geht es in Deutschland auch eine Nummer kleiner. Der Nationalpark Jasmund auf Rügen ist zum Beispiel nur 3000 Hektar groß, der Park in der Eifel passt mit 11.000 Hektar ins Welt-Schema.

Warum sucht NRW einen zweiten Nationalpark?

Grüne und CDU haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt. Für die Grünen ist das ein Herzensanliegen, die CDU musste erst überzeugt werden und kann sich in vielen Regionen immer noch nicht damit anfreunden. Zum Beispiel ist die CDU im Kreis Höxter entschieden gegen einen „Nationalpark Egge“.

Die Idee, einen zweiten Nationalpark auszuweisen, wird mit den guten Erfahrungen im Nationalpark Eifel begründet. Seit 2007 hätten sich dort die Besucherzahlen auf zuletzt eine Million mehr als verdoppelt, so die Landesregierung. Der „sanfte Naturtourismus“ boome dort. 2006 hätten in Umfragen 62,5 Prozent der Bevölkerung in der Eifel für den Fortbestand des Parks gestimmt, 2020 seien es sogar 80 Prozent gewesen, rechnete Parkleiter Michael Lammertz am Mittwoch vor. „Der Nationalpark Eifel wird heute geliebt!“, sagt er.

Was verspricht sich das Land davon?

NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) nennt Nationalparks „Hotspots der Artenvielfalt“ und „touristische Highlights“. Dort werde Natur für den Menschen erlebbar. „Nationalparks sind weltweit die Schutzgebiete, die die größte Aufmerksamkeit genießen“, schwärmt Krischer.

Welche Nachteile gibt es?

Die Kehrseite beschreibt NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU). Sie unterstützt zwar die Suche nach einem zweiten Nationalpark, berichtete aber von „Skepsis, Sorgen und vielen offenen Fragen“ überall dort, wo ein Nationalpark im Gespräch sei, zum Beispiel im Egge-Gebiet. Waldbauern und die Sägewerkindustrie befürchteten Nachteile für die Bewirtschaftung, Probleme mit Schädlingsbefall und ein Ende der Möglichkeit, Waldflächen für den Bau von Windrädern zu verpachten.

Jäger und Fischer, Radfahrer und Reiter seien in Sorge, weil sie ihre Hobbys im Park womöglich nicht mehr so ausüben könnten wie bisher. Andere wollten einfach nur wissen, ob sie im Nationalpark ihren Hund anleinen müssten (Antwort: Ja, sie müssten).

Die CDU im Kreis Höxter sieht zum Beispiel „in einem Nationalpark Egge keinen Mehrwert für Mensch und Umwelt und auch keine Mehrheit in der Bevölkerung“. Eine „naturnahe und nachhaltige Waldbewirtschaftung“ müsse weiter möglich bleiben. Auch mit Waldbewirtschaftung hätten sich die Lebensbedingungen für bedrohte Arten verbessert. Schwarzstorch, Uhu, Kolkrabe, Wildkatze oder Luchs seien auch ohne Nationalpark zurückgekehrt.

Welche Regionen kommen dafür in Frage?

Theoretisch jede. Alle Regionen seien aufgerufen, sich „mit ihren Naturschätzen“ zu bewerben, so die Landesregierung. Praktisch erfüllen aber nur wenige die wichtigste Bedingung: „Ein großräumiges, weitgehend unzerschnittenes Gebiet von besonderer Eigenart“. NRW nennt selbst sechs potenzielle Gebiete in Landesbesitz: Neben dem erwähnten Egge-Gebiet (Kreise Höxter und Paderborn) handelt es sich um das Ebbegebirge (Olpe, Märkischer Kreis), den Arnsberger Wald (Hochsauerlandkreis, Soest), den Hürtgenwald (Aachen, Düren), den Reichswald (Kleve) und den Rothaarkamm (Siegen-Wittgenstein).

Es dürfte vielerorts schwer werden, unterschiedliche Interessen zu berücksichtigen. Zum Beispiel sollen im Arnsberger Wald noch viele weitere Windräder aufgestellt werden. In Nationalparks sind Windräder aber verboten. Private Flächen können Teil eines Nationalparks sein. Das setzt aber das Einverständnis der Besitzer voraus.

Vom Tisch ist inzwischen das lange favorisierte Projekt „Nationalpark Senne“: Das britische Militär wird diese Fläche unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine doch nicht, wie zunächst geplant, räumen.

Wie geht es weiter?

Nun beginnt ein mehrstufiges Auswahlverfahren, dessen Ende nicht in Sicht ist. Umweltminister Krischer will sich jedenfalls nicht auf ein Jahr festlegen. Der erste Schritt ist ein „unverbindlicher Interessenbekundungsprozess“. Das heißt, Städte und Kreise, örtliche Politiker, engagierte Bürger, Vereine und Verbände können dem Land bis Ende März 2024 Vorschläge machen. Zum Schluss entscheidet die Landesregierung.

Umweltminister Krischer beteuert, es gebe keine Vorfestlegung auf eine Region, und es werde kein Zwang ausgeübt. Die Landesregierung stülpe keiner Region einen Nationalpark über. Das sei auch gar nicht möglich, betonte Landwirtschaftsministerin Gorißen: „Ein zweiter Nationalpark kann nur mit breiter Akzeptanz vor Ort gelingen.“