Düsseldorf. Innenminister erklärt im Landtag, warum die Massenaufläufe in Castrop-Rauxel und Essen den Blick auf die Clan-Kriminalität verändern.

Nach den Tumulten in Castrop-Rauxel und Essen will NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) künftig syrische Großfamilien stärker in den Fokus nehmen. „In jedem Fall sind diese Vorfälle im Ruhrgebiet Anlass dafür, intensiv zu prüfen, inwieweit wir neben den türkisch-arabisch-stämmigen Clans auch andere Strukturen unter dem Phänomen der Clan-Kriminalität im Blick haben müssen“, sagte Reul am Mittwoch in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Landtag. Eine erweiterte Betrachtung um die „neue Konfliktpartei der Syrer“ könne Sinn ergeben.

Man habe es mit einer „Pulverfass-Mentalität“ zu tun. Die Kriminalität, die aus Familienstrukturen heraus begangen werde, finde nicht mehr nur im Hinterzimmer statt. Die Vorfälle in Castrop-Rauxel und Essen zeigten eine enorme Solidarisierung und Mobilisierung über den digitalen Medien und entsprechende Chatgruppen. „Auch diese spontanen Gewaltausbrüche auf der Straße gehören zum Phänomen der Clankriminalität dazu“, sagte Reul.

Streiterei unter Kindern sollte offenbar gerächt werden

Am vergangenen Donnerstagnachmittag war zunächst die Polizeileitstelle in Recklinghausen wegen einer Schlägerei von rund 50 Männern vor allem aus dem türkisch-libanesischen und syrischen Milieu alarmiert worden. Sie gingen mit Baseballschlägern, Messern, Macheten und Schlagstöcken aufeinander los.

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Zehn Personen wurden dabei verletzt, darunter auch ein Polizist. Ein zunächst sogar in Lebensgefahr schwebender 23-jähriger Syrer konnte mit einer Notoperation gerettet werden. Bei der Kreispolizeibehörde Recklinghausen ermittelt seither eine Mordkommission. Auslöser der Tumulte soll die leichte Verletzung eines Kindes einer Familie beim Spielen gewesen sein, die gerächt werden sollte.

Am Folgetag wollten sich Dutzende Personen an einem Metallgewerbebetrieb im Kreis Recklinghausen treffen. „Offenbar zu einer Art High Noon“, sagte Reul. Bei einer Durchsuchungsaktion der Polizei seien etliche Waffen gefunden worden, sogar eine Maschinenpistole.

Im Netz wurde mobilisiert: "Kommt nach Essen"

Am Freitagabend kam es dann in der Essener Innenstadt zu einem weiteren Tumult, den Reul im Zusammenhang mit den Vorfällen in Castrop-Rauxel sieht: Im Netz sei mit Parolen nach dem Motto „Kommt nach Essen“ mobilisiert worden, zudem habe es eine Verfolgung von Personen zwischen beiden Städten gegeben.

Die Clans halten die Sicherheitsbehörden in Atem. In den vergangenen Tagen waren nach Angaben des Innenministeriums rund 700 Polizisten sowie Diensthunde und Hubschrauber im Einsatz. 462 Personen und 76 Fahrzeuge wurden kontrolliert, zahlreiche Waffen sichergestellt, darunter allein 43 Messer. Es gab zwei vorläufige Festnahmen, 41 Ingewahrsamnahmen und 224 Platzverweise. Inzwischen arbeitet im Polizeipräsidium Essen eine Besondere Aufbau-Organisation (BAO) mit Unterstützung von Clan-Spezialisten des Landeskriminalamtes aus Düsseldorf die Hintergründe auf.