Duisburg. Reglos und stumm reagieren SPD-Mitglieder in Duisburg auf die Niederlage bei der Bundestagswahl.

Die SPD im Ruhrgebiet hat es geahnt: An diesem Sonntag wird es keinen Grund zum Feiern geben. Aber als um 18 Uhr die erste Prognose auf einer Leinwand im „Café Museum“ in der Duisburger City erscheint, die historische Niederlage also gewiss wird, ist die Enttäuschung doch riesengroß bei den Gästen des SPD-„Wahlabends“. Was für ein Absturz!

Reglos und stumm blicken die SPD-Mitglieder auf den niedrigen Balken der SPD. Erst als sie sehen, dass die FDP um den Einzug in den Bundestag bangen muss und der Höhenflug des BSW offenbar gestoppt ist, applaudieren sie.

„Ich bin sicher, dass wir eine gute Regierung bekommen“, sagt Ernst Walsken, ein SPD-Urgestein. Das tröstet ihn über den Absturz seiner Partei hinweg. Die Niederlage tue „bitter weh“, das gute Abschneiden der Rechtspopulisten bei dieser Bundestagswahl schmerze genauso. Olaf Scholz habe keine Aufholjagd hinlegen können, dafür habe die Ampel wohl auch zu viele Fehler gemacht, sagt Walsken. Persönlich schätze er den Kanzler sehr. Aber Scholz sei eben „kein Volkstribun“.

Bärbel Bas als Herausforderin von Hendrik Wüst?

Um 19.38 Uhr kommt Bärbel Bas ins Café, und die Stimmung hellt sich deutlich auf. Die Menge applaudiert, „Bärbel-Rufe“ sind zu hören. In dieser bitteren Stunde ist die Bundestagspräsidentin eine, die für Hoffnung steht. „Ich werde mein schönes Amt aufgeben müssen“, sagt sie. Aber dass die Duisburgerin, die ihren Wahlkreis erneut direkt gewann, fortan keine große Rolle mehr in der Politik spielt, glaubt an diesem Abend keiner. Manche sehen sie als mögliche Herausforderin von Hendrik Wüst in NRW.

„Wir haben unsere Hausaufgaben zu machen“, sagt Bas „Nicht nur personell, auch inhaltlich“. Es stehe auch noch nicht fest, ob diese so schwer angeschlagene SPD „mit wehenden Fahnen in eine Koalition“ gehe. Dennoch seien ab sofort alle Demokratinnen und Demokraten gut beraten, aufeinander zuzugehen. Die gefährliche Weltlage mache dies nötig.

Mahmut Özdemir, der sein Duisburger Bundestagsmandat am Sonntag allen Unkenrufen zum Trotz gegen die AfD verteidigen konnte, fordert von seiner Partei, endlich wieder zur Problemlöserin zu werden. Die Menschen erwarteten, dass sich ihre Lebenswirklichkeit verändere, und die sei oftmals trist. „In meiner Schule sieht es immer noch so aus wie damals. Die Leute sagen mir, die Kitas seien zu“, so Özdemir.

„Das ist eine Klatsche, eine große Enttäuschung“

Sichtlich angefasst kommt die SPD-Co-Landesvorsitzende Sarah Philipp ins „Café Museum“. „Das ist eine Klatsche, eine große Enttäuschung, das ist einer der bittersten Momente in den 27 Jahren, in denen ich in der SPD bin“, sagt die Duisburgerin in einer ersten Reaktion. Die SPD sei mit ihren Themen nicht durchgedrungen, die angepeilte Aufholjagd sei nicht zustande gekommen.

Philipp verspricht eine Aufarbeitung dieses Wahlergebnisses „mit voller Wahrheit, Transparenz, ohne etwas unter den Tisch fallen zu lassen.“ Bei der Kommunalwahl in NRW im Herbst würden die Karten wieder neu gemischt, dann gebe es wieder etwas zu gewinnen und zu verteidigen. SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott konstatiert in einem Statement, die SPD habe „den Nerv nicht getroffen“, werde aber wiederkommen.

Keine gute Stimmung: SPD-Mitglieder im Duisburger Rathaus .
Keine gute Stimmung: SPD-Mitglieder im Duisburger Rathaus . © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Viele in der SPD erinnern sich nun an die „Revolution“, die Teile der NRW-SPD im November gegen Olaf Scholz anzettelten. Zur Kampfansage geriet ein öffentliches Bekenntnis der Bundestagsabgeordneten Wiebke Esdar und Dirk Wiese, den Chefs der NRW-Landesgruppe im Bundestag, für Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und gegen eine Scholz-Kandidatur. Sogar der populäre Franz Müntefering ließ Sympathien für Pistorius durchblicken.

Nun, nach der Bundestagswahl, dürfte es im größten und mächtigsten SPD-Landesverband erneut viele offene Worte geben. Die SPD kann im Bund nur gewinnen, wenn sie in ihrem früheren Stammland NRW Wähler mobilisiert. Umgekehrt heißt das: Wenn die SPD nicht in NRW nicht zieht, hat sie im Bund erst recht keine Chance.

Opfer der Unpopularität von Olaf Scholz

Schon bei der Landtagswahl 2022 war die SPD an Rhein und Ruhr gewissermaßen ein Opfer der Unpopularität von Olaf Scholz und fuhr das historisch schlechteste Ergebnis in NRW ein. Viele Bürgerinnen und Bürger reagierten ihren Ärger über die Ampel-Regierung an den NRW-Wahlurnen ab.

An dieser Niederlage knabbert die NRW-SPD bis heute. Sie hat zwar ein Jahr lang akribisch die Gründe dafür aufgearbeitet und sich in der Partei mit der ersten „Doppelspitze“ aus Sarah Philipp und Achim Post sowie in der Landtagsfraktion mit Jochen Ott neu aufgestellt. Aber in Umfrage schwächelt die Landespartei weiter vor sich hin, und ihr Spitzenpersonal könnte stundenlang durch irgendwelche Fußgängerzonen schreiten, ohne erkannt zu werden.

Die NRW-SPD hat nicht viel Zeit, um ihre Angelegenheiten zu ordnen: Schon im Herbst müssen ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus den Städten in die Kommunalwahl, in etwa zwei Jahren wartet die schwere Prüfung Landtagswahl.

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