Berlin. Im ZDF diskutieren die Spitzenkandidaten von AfD, BSW, CSU, FDP, Grünen und Linken. Heikel wird es, als der AfD-Politiker den Linken unterbricht.
Nicht verwunderlich: Der „Schlagabtausch“ im ZDF beginnt am Donnerstagabend mit dem Thema, das in der vergangenen Woche tausende Menschen in Deutschland bewegte: Die Abstimmung im Bundestag, die viele als „Tabubruch“ empfanden und daraufhin im ganzen Land demonstrierten. CDU und FDP hatten es in Kauf genommen, dass Friedrich Merz‘ Antrag für eine strengere Asylpolitik mit Stimmen der AfD durch den Bundestag beschlossen wurde.
Unter anderem darüber diskutieren an diesem Abend die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten all derer Parteien, die am Sonntag nicht am Kanzlerduell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz teilnehmen: Neben FDP-Chef Christian Lindner sind Alexander Dobrindt, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, sowie Tino Chrupalla (AfD-Co-Vorsitzender), Linken-Chef Jan van Aken, BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht und Grünen-Chef Felix Banaszak der Einladung gefolgt.
„Schlagabtausch“ im ZDF mit AfD, BSW, CSU, FDP, Grünen und Linken
In der Sendung, die rund zwei Wochen vor der Bundestagswahl 2025 stattfindet, liegt der Fokus auf zwei Themen: der Migration und wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Dabei herrscht in der Migrationsdebatte große Einigkeit bei fast allen Diskutierenden, die Zuwanderung begrenzen und strenge Regeln schaffen zu wollen.
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Als einziger hält Jan van Aken (Die Linke) dagegen. Er formuliert eine Art „Wir schaffen das, wenn...“: Nicht die Migration sei das Problem („Vor zwei Jahren sind eine Million Ukrainer*innen gekommen und das Land ist nicht zusammengebrochen, das haben wir geschafft, das muss man einmal feststellen.“), sondern es fehle an nötigen Ressourcen („Die Kommunen sind kaputtgespart worden.“).
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ZDF-Sendung zur Bundestagswahl 2025: AfD und CDU zur Migrationsdebatte
Anders sieht das AfD-Co-Chef Chrupalla. Rund drei Minuten im Duell fordert dieser schon sofortige Abschiebungen. Auch nutzt der AfD-Politiker das Bild der sozialen Hängematte in Deutschland, in die sich seiner Meinung nach viele Menschen aus anderen Ländern hineinlegen wollen. Während Chrupalla seine Gründe für den Fachkräftemangel präsentiert, verdreht Grünen-Chef Banaszak die Augen, van Aken muss breit grinsen.
Alexander Dobrindt (CSU) nimmt hingegen mehrmals den Ball der AfD auf, um „illegale Migration“ anzusprechen. Zum Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion und FDP mit den Stimmen der AfD beschlossen hatten, sagt Dobrindt in Richtung der anderen Parteien: „Es war die Möglichkeit da für die Einigung des Parlaments in der Mitte – die Grünen haben es abgelehnt, die SPD hat es abgelehnt.“
„Schlagabtausch“ im ZDF: Studio-Publikum reagiert auf CDU und AfD
Besonders dem Studio-Publikum ist eine gewisse Abneigung gegenüber den Positionen und Aussagen von AfD und CSU anzusehen. Mehrmals schütteln die Menschen, die hinter Chrupalla („Ich mache Politik für den deutschen Staatsbürger.“) und Dobrindt platziert sind, ihre Köpfe, lachen ungläubig, seufzen, verdrehen die Augen oder verschränken ihre Arme. Schon bei der Begrüßung gab es lediglich für Jan van Aken (Die Linke) und Felix Banaszak (Grüne) Zwischenapplaus im Studio.
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Mehrere Nutzerinnen und Nutzer des Kurznachrichtendienstes X empören sich darüber: Von einem „parteiischen Publikum“ ist die Rede. Ein anderer User schreibt: „Schon ekelhaft dieses vorgefilterte Publikum im ÖRR. Linksgrün versiffte Berliner. Das ist wieder gratis Wahlwerbung für die AFD.“
So scharf wie einige Kommentare zur Sendung auf X oder YouTube werden die Debatten an diesem Abend selten. ZDF-Moderator Andreas Wunn, der ein paar Anläufe braucht, um seine Rolle zu finden, hatte sich im Vorfeld einen „gesunden Streit“ gewünscht. Er bekommt eine in weiten Teilen faire Debatte, bei der sich die Diskutierenden ausreden lassen.

Heikel wird es, als Tino Chrupalla (AfD) dem Linken-Chef ins Wort fallen will und Jan van Aken ausfährt: „Jetzt halten Sie mal Ihren rechten Rand, ich rede gerade.“ Das Publikum im Studio johlt.
An anderer Stelle tauschen van Aken und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht einige Seitenhiebe aus (van Aken: „Du bist ja nie da, wo arme Menschen sind, du kennst ja gar keine Siedlungen, wo arme Menschen wohnen“; Wagenknecht: „Unsere Wählerschaft hat übrigens ein geringeres Durchschnittseinkommen als eure.“). Beim Thema Wohnen sind die beiden Parteien dann aber auf einer Linie.
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Christian Lindner (FDP), der in der Sendung rhetorisch souverän auftritt, zeigt sich in der Migrationsdebatte und der konkreten Ausgestaltung gesprächsbereit. Auch grenzt er seine Partei immer wieder nach rechts ab, indem er die AfD als rechtspopulistisch und „Gefahr für unsere Wirtschaft“ bezeichnet.
Bundestagswahl 2025: FDP will Bürokratie durch „Sabbatical“ abbauen
Spannend findet die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier, die die Wahlprogramme der Parteien im Hinblick auf Wirtschaftspläne untersuchte, auch eine Idee der FDP, um die Bürokratie abzubauen: Die Partei will eine Art Sabbatical für Unternehmen einführen, in dem diese keine Berichtspflicht haben. Nicht bei allen trifft das auf Begeisterung (van Aken: „Wer sagt ‚Bürokratieabbau‘, der meint eigentlich ‚Arbeitnehmerrechteabbau‘ – und das finde ich falsch.“).
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Es ist mit 90 Minuten eine lange Debatte, in der sehr unterschiedliche Themen zur Sprache kommen. Allerdings bleiben mehrere Fragen offen oder entstehen neu – wie durch die Schnellfragerunde, in der die sechs Gäste Fragen aus der Bevölkerung beantworten. Auch die kurzen Statements am Schluss lassen das Publikum teils ratlos zurück – etwa, als Tino Chrupalla verkündet, die Kernenergie in Deutschland zurückerlangen zu wollen.
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