Berlin. Das Tool zur Bundestagswahl ist online. Aber ist der Wahl-O-Mat wissenschaftlich fundiert? Ein Experte übt Kritik – aus diesen Gründen.

  • Der Wahl-O-Mat ist ein sehr beliebtes Tool bei der Bundestagswahl 2025
  • Doch der Entscheidungshelfer zieht auch teils scharfe Kritik auf sich
  • Was Politik-Experten bemängeln, lesen Sie hier

Der Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl ist seit dem 6. Feburar online. Eine Entscheidungshilfe der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die sich großer Beliebtheit erfreut: 21,5 Millionen Mal wurde das Online-Tool bislang aufgerufen – und damit häufiger als der Wahl-O-Mat für die Bundestagswahl 2021.

Wählerinnen und Wähler können 38 politischen Thesen zustimmen, diese ablehnen, sich „neutral“ positionieren oder eine These überspringen. Das Ergebnis wird dann mit den Positionen der 29 Parteien, die zur Bundestagswahl 2025 antreten, verglichen. Aber kann man sich auf das Tool verlassen?

Norbert Kersting, Professor für vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Münster hat gleich mehrere Kritikpunkte am Wahl-O-Mat. Einer davon lautet: Die Online-Entscheidungshilfe orientiere sich ausschließlich an den Positionen der Parteien, die diese zu den vorgegebenen Thesen abgeben. „Dabei stellen die Parteien sich häufig neutraler dar, als sie sind“, sagt Kersting.

Bundestagswahl 2025: Wissenschaftler empfiehlt Alternative zum Wahl-O-Mat

Der Wissenschaftler hat ein eigenes Tool zur Bundestagswahl 2025 an den Start gebracht – den Wahl-Kompass. Dieser folgt ähnlichen Prinzipien wie der Wahl-O-Mat. Auch beim Wahl-Kompass bewerten Nutzerinnen und Nutzer eine Auswahl an Thesen. In diesem Fall sind es 31 an der Zahl, ausgewählt von einem Team aus Wissenschaftlern.

Dazu holen sie – ähnlich wie beim Wahl-O-Mat – die Positionen der Parteien ein. Im Anschluss unterscheidet sich die Vorgehensweise vom Wahl-O-Mat: Kerstings Team gleicht die abgegebenen Positionen mit den tatsächlichen Parteiprogrammen und gestellten Leitanträgen ab.

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So unterscheidet sich der Wahl-O-Mat vom Wahl-Kompass

„Wir lassen das noch einmal durch Experten von verschiedenen Universitäten bewerten, lassen zusätzlich eine Expertengruppe darüber schauen und korrigieren, wenn nötig“, erklärt Kersting. So soll verhindert werden, dass Wählerinnen und Wähler in die Irre geführt werden. 

Kersting kritisiert darüber hinaus die begrenzten Antwort-Möglichkeiten des Wahl-O-Mat. Der Wahl-Kompass hat hingegen eine fünfstufige Antwortskala. Dadurch würden sich differenziertere Tendenzen zu den unterschiedlichen Thesen ergeben. Aber noch einen weiteren Kritikpunkt führt Kersting ins Feld.

Wissenschaftler zum Wahl-O-Mat: „Warum dürfen die Babyboomer nicht mitreden?“

An der Erstellung und der Auswahl der Thesen sind laut des Politikwissenschaftlers Jugendliche sowie Erstwählerinnen und Erstwähler beteiligt. Aber: „Der Wahl-O-Mat ist nicht nur für Jugendliche da“, sagt Kersting. Bestimmte Alters- und soziale Gruppen würden bei der Thesenbildung dagegen gar nicht berücksichtigt. „Der Wahl-O-Mat ist für alle da. Warum dürfen da die Babyboomer und andere Altersgruppen nicht mitreden?“ Hinzu komme, dass das Aufstellen von Thesen nichts Banales sei. Im Gegenteil: Es sei ein Handwerk, das man den Leuten beibringen müsse.

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Kopf hinter Wahl-O-Mat: „Hat als Tool von jungen Leuten für junge Leute begonnen“

Laut Stefan Marschall, dem wissenschaftlichen Kopf hinter dem Wahl-O-Mat, hat das historische Gründe: „Der Wahl-O-Mat hat als Tool von jungen Leuten für junge Leute begonnen, die sich zuerst im Internet bewegt haben.“ Deshalb halte man an der Beteiligung Jugendlicher fest. Marschall und sein Team glauben, „dass junge Menschen meist einen unverstellteren Blick auf Politik haben.“

Auch die Kritik an der wissenschaftlichen Untermauerung weist Marschall zurück: „Wir haben eine fundierte Qualitätssicherung, die wir über Jahre erprobt und verbessert haben“. Man arbeite mit Qualitätsstandards. Außerdem brächten sich Wissenschaftler in alle Prozesse der Entwicklung des Wahl-O-Mat ein.

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Bundestagswahl 2025: Ist der Wahl-O-Mat zu spät dran?

Der letzte Kritikpunkt von Norbert Kersting: Der Wahl-O-Mat sei zu spät dran. Der Politikwissenschaftler hat gut reden: Sein Team hat den Wahl-Kompass zur Bundestagswahl 2025 bereits am 23. Januar, einen Monat vor der Wahl, veröffentlicht. Seitdem haben rund 230.000 Menschen den Kompass genutzt.

„Schneller ging es wirklich nicht“, sagt Stefan Marschall vom Wahl-O-Mat zu dem Vorwurf. Die vorgezogene Wahl habe es erforderlich gemacht, noch kurzfristiger und beschleunigter zu arbeiten als ohnehin. „Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, um Prozesse, die wir normalerweise innerhalb von drei Wochen erledigen, in einer Woche umzusetzen.“