Berlin. Kurz vor Ende der Legislatur bringen SPD, Grüne und Union ein Projekt auf den Weg, das Opfer von häuslicher Gewalt besser schützen soll.
Auf der offenen Bühne des Plenums stritten sich die Unionsparteien mit SPD und Grünen in dieser Woche krachend über den richtigen Umgang mit der AfD und über den Weg in der Migrationspolitik. An anderer Stelle im Parlament allerdings kam es kurz vor dem Ende der Legislatur zu eine überraschenden Einigung. Im Familienausschuss verständigten die Fraktionen der rot-grünen Minderheitsregierung sich in dieser Woche mit CDU und CSU auf ein Gesetz, dass Frauen und Kinder künftig besser vor häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt schützen soll. Am Freitag soll der Bundestag das sogenannte Gewalthilfegesetz beschließen, anschließend muss der Bundesrat noch zustimmen.
Frauen und Kinder sollen damit ab 2032 einen Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz, Beratung und Unterstützung gegen Gewalt haben. Damit dieser auch faktisch eingelöst werden kann, soll das Netz an Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen deutlich ausgebaut werden. Diese Aufgabe bekommen die Länder. Sie sollen zunächst den Bedarf vor Ort feststellen und dann die Strukturen entsprechend ausbauen. Der Bund unterstützt mit Geld: 2,6 Milliarden Euro sollen den Ländern dafür über 10 Jahre zur Verfügung stehen.
Frauenhäuser: Rund 14.000 Plätze fehlen – Frauen oft in Notsituationen abgewiesen
Damit wird eine Forderung erfüllt, die Frauenrechtlerinnen und Verbände seit langem mit Nachdruck formulieren. Denn die oft prekäre Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen ist ein Grund dafür, dass es derzeit deutlich weniger Schutz gibt, als eigentlich benötigt würde: Gemessen an internationalen Empfehlungen fehlen in Deutschland rund 14.000 Frauenhausplätze. Die Einrichtungen müssen deshalb immer wieder Frauen in akuten Notsituationen abweisen.
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Das soll dieses Gesetz in den nächsten Jahren ändern. Der Schutzanspruch dabei soll ausdrücklich nur für Frauen und Kinder gelten, nicht aber für Männer, und nach Lesart der Unionsfraktion auch nicht für transgeschlechtliche Personen. Silvia Breher, familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sagte nach der Einigung, zentral sei, „dass der Schutz von Frauen und Kindern bei diesem Vorhaben im Mittelpunkt steht“.
Die Grünen haben allerdings Zweifel, ob diese Regelung vor Gerichten Bestand haben wird. Etwa ein Fünftel aller Opfer häuslicher Gewalt sind männlich.
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Im Schnitt stirbt eine Frau pro Tag in Deutschland durch häusliche Gewalt
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), aus deren Haus das Gesetz kommt, zeigte sich am Donnerstag „sehr, sehr froh und sehr erleichtert“, dass diese Einigung noch zustande kam. Dieses Gesetz werde „Leben retten“, sagte Paus.
Denn Gewalt gegen Frauen endet häufig tödlich: 2023 wurden nach Angaben des BKA 938 Mädchen und Frauen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten, die allermeisten davon im Kontext häuslicher Gewalt. 360 Frauen starben – im Schnitt fast eine pro Tag. Nach dem offiziellen Lagebild der Behörden wurden 2023 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt. Und das sind nur die erfassten Fälle. Expertinnen und Experten gehen von einem großen Dunkelfeld aus.
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Schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition war deshalb besserer Schutz vor Gewalt und eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern als Ziel festgeschrieben. Trotzdem war lange unklar, ob ein solches Gesetz kommen würde. Erst nach dem Ausscheiden der FDP aus der Regierung wurde der Gesetzentwurf vom Bundeskabinett beschlossen.
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