Düsseldorf. Schwarz-Grün in NRW hat Hilfen für die Kinderwunschbehandlung gestrichen. Jetzt haben Experten im Landtag die Folgen beleuchtet.

Der Gang in eine Kinderwunschklinik fällt schwer. „Wir sehen Paare, die zehn Jahre lang bei niedergelassenen Ärzten geblieben sind“, berichtet Dr. Dunja Baston-Büst am Mittwoch in einer Expertenanhörung des NRW-Landtags.

In nordischen Ländern wie Dänemark, Schweden oder Norwegen sei die Reproduktionsmedizin längst „nicht so ein Tabuthema wie bei uns“, so die Ärztin vom Düsseldorfer Uniklinikum. Dort säßen in jeder Schulklasse statistisch zehn Kinder, die mit medizinischer Hilfe gezeugt wurden. In Deutschland seien es weiterhin nur zwei.

Baston-Büst ist an diesem Tag als Sachverständige ins Parlament eingeladen, weil die schwarz-grüne Landesregierung selbst einen kleinen Landesbeitrag zur Enttabuisierung von Kinderwunschbehandlungen gestrichen hat. Zum 1. Januar sind finanzielle Hilfen für Paare weggefallen, nachdem bereits 2024 keine neuen Förderanträge mehr gestellt werden konnten.

Im mehr als 105 Milliarden Euro umfassenden Landeshaushalt 2025, der bei Ministerialbürokratie, Repräsentationsausgaben und allerlei Förderprogrammen weiterhin großzügig bemessen wirkt, sollen keine fünf Millionen Euro mehr drin sein für Paare, die auf natürlichem Weg keinen Nachwuchs bekommen können.

Seit 2019 hatte NRW ungewollt Kinderlose gemeinsam mit dem Bund unterstützt. Bis zu vier Behandlungszyklen einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) wurden gefördert. Nach Abzug der Krankenkassenleistungen erhielten heterosexuelle Ehepaare 50 Prozent ihres Eigenanteils, unverheiratete heterosexuelle Paare bei den ersten drei Versuchen 25 Prozent und beim vierten Versuch 50 Prozent der Kosten als Zuschuss von der öffentlichen Hand.

Nachfrage in NRW nach Hilfen bei Kinderwunsch ist riesig

Kostet eine Kinderwunschbehandlung mit vier Versuchen zum Beispiel 4000 Euro, dann liegt der Eigenanteil gesetzlich Versicherter in der Regel bei 2000 Euro. Eine staatliche Förderung von bis zu 1000 Euro war hier vielen Paaren eine große Hilfe. Die Nachfrage übertraf die Erwartungen. Seit Beginn des Förderprogramms wurden von 2019 bis 2023 in NRW mehr als 28.000 Anträge gestellt.

Doch als der Bund seine Förderung zurückfuhr, wollte auch Schwarz-Grün in Düsseldorf aussteigen. Das Programm fiel den großen Sozialkürzungen zum Opfer, gegen die im vergangenen Herbst auf den Rheinwiesen mehr als 32.000 Menschen demonstrierten. Für FDP-Familienpolitiker Marcel Hafke ein schwerer Fehler: „Selbst kleine Hilfen wirken wie ein Rettungsanker: Sie geben Paaren die Chance, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen und dem Leben eine neue Richtung zu geben.“

Künstliche Befruchtung: „Es ist ein Zyklus aus Hoffen, Bangen und enttäuscht werden“

Die Psychologin Bärbel Nellissen, die pro Jahr rund 200 Paare mit unerfülltem Kinderwunsch begleitet, gibt den Landtagsabgeordneten am Mittwoch ein Gefühl für den Problemdruck. „Es ist ein Zyklus aus Hoffen, Bangen und enttäuscht werden“, schildert sie die Odyssee der künstlichen Befruchtung. Über Jahre werde viel in den Kinderwunsch investiert, um sich am Ende doch in vielen Fällen von ihm verabschieden zu müssen. Sie wünscht sich bei dieser schwierigen Lebensweiche keinen Rückzug des Landes, sondern eine „viel bessere Begleitung“.

Auch Heike Buschmann von der Diakonie arbeitet mit ungewollt Kinderlosen und gibt Einblicke in ein Kapitel der Familienpolitik, das eigentlich nach mehr Förderung und Unterstützung verlangt. Sie erlebe Paare, die über Jahre alles auf das Thema Kinderkriegen ausrichteten, sich dabei selbst verlören und - wenn es endlich klappt mit dem Baby - zur Trennungsberatung wieder bei ihr erschienen.

Buschmann berichtet im Landtag vom Andrang auf „Kinderwunschmessen“, bei denen internationale Anbieter hierzulande verbotene Methoden wie Leihmutterschaft und Eizellenspenden anpriesen. Man mache sich kein Bild davon, wie groß der Leidensdruck vieler kinderloser Paare in NRW sei.

Die Erfolgsquote für eine erfolgreiche Kinderwunschbehandlung liegt lediglich bei 50 Prozent. Da viele Paare zahlreiche Versuche benötigen, ist die statistische Wahrscheinlichkeit bei den ersten Zyklen noch geringer. „Der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Leistungen darf nicht von den individuellen finanziellen Ressourcen abhängen“, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung, eines Zusammenschlusses psychosozialer Fachkräfte, für den Landtag.

Kinderwunschbehandlung: Privatversicherte im Vorteil

Auch die Freie Wohlfahrtspflege in NRW erklärt: „Wir befürworten, dass die Inanspruchnahme nicht von der wirtschaftlichen Lage der Betroffenen abhängen sollte. Auch mit der landeseigenen Förderung muss ein nicht unerheblicher Eigenanteil von den Paaren aufgebracht werden.“

Wer Geduld, gute Nerven und ausreichende finanzielle Reserven hat, erhöht offenbar seine Chancen auf eine erfolgreiche Kinderwunschbehandlung um ein Vielfaches. Auch eine Privatversicherung, die häufig deutlich höhere Kosten übernimmt als die gesetzliche, hilft ungemein. „Die finanzielle Bürde der Paare führt immer wieder dazu, dass einige Paare nur die Kultur des Frischzyklus bezahlen können und die Kryokonservierung finanziell zu teuer wird“, so die Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin.

Unmedizinisch gesprochen: Bei einem Frischzyklus werden die Eizellen der Frau nach einer Hormonbehandlung direkt entnommen, befruchtet und wieder eingesetzt. Bei der Kryokonservierung werden sie eingefroren und potenziell über mehrere Zyklen zu Versuchen genutzt.

FDP-Politiker Hafke fordert, dass NRW ähnlich wie Rheinland-Pfalz und Niedersachen die Landesförderung wieder aufnimmt. Wer Paare mit Kinderwunsch im Stich lasse, drehe sich „von den Lebensrealitäten vieler Menschen weg“.