Berlin. Die Affäre um Stefan Gelbhaar belastet die Grünen. Intrigen gab es in der Politik schon immer – oft unter „Parteifreunden“.

Die Geschichte der politischen Intrige in Deutschland ist seit einigen Tagen wohl um ein Kapitel reicher: Eine Berliner Lokalpolitikerin der Grünen steht unter dem Verdacht, Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihren Parteikollegen Stefan Gelbhaar erfunden zu haben. Der Fall, seine Hintergründe und verbliebene Vorwürfe gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten sind noch nicht aufgeklärt. Sicher ist jedoch, dass die Affäre Gelbhaar bereits die erneute Kandidatur für den Bundestag gekostet hat. 

Der Duden definiert die Intrige als „Reihe von hinterhältigen, heimtückischen Machenschaften“, mit denen jemand gegen einen anderen arbeite, um dessen Pläne zu durchkreuzen und ihm Schaden zuzufügen. Drahtzieher und Opfer, so zeigt es der Blick in die Geschichtsbücher, gehören in der Politik häufig derselben Partei an. Frei nach dem – gleich verschiedenen Politikern zugeschriebenen – Ausspruch: „Feind, Todfeind, Parteifreund“. Jede Partei hat ihre Intrigen, manche sind in Erinnerung geblieben.

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Politische Intrigen: Immer wieder SPD

Da wäre etwa der Fall von Kurt Beck. „Verletzungen, die einem aus den eigenen Reihen zugefügt werden, die sind viel schmerzhafter“, bilanzierte der frühere SPD-Vorsitzende einmal seine Erfahrungen. Beck warf 2008 als Parteichef hin, nachdem er Frank-Walter Steinmeier den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur überlassen hatte, die Entscheidung aber vorzeitig und an ihm vorbei ihren Weg an die Öffentlichkeit fand.

Lateinamerika-Konferenz des SPD-Vorstandes, 05.05.2008
Kurt Beck (rechts) trat 2008 als SPD-Parteichef zurück, weil die Kanzlerkandidatur von Frank-Walter Steinmeier verfrüht bekannt wurde. Beck vermutete ein Komplott gegen sich. © picture alliance / | Pa

Der Rheinland-Pfälzer fühlte sich von führenden Genossen um Franz Müntefering gezielt hintergangen und trat deswegen bei einer SPD-Klausur in Brandenburg zurück. Das Ereignis ging als „Drama vom Schwielowsee“ ins Gedächtnis ein. „Ich habe damals eine tiefe Verwundung wegen dieses Vorgehens meiner Gegner empfunden“, erinnerte sich Beck später. Wer Verschwörungen und Intrigen in der deutschen Nachkriegspolitik Revue passieren lässt, landet nicht nur im Fall von Kurt Beck bei den Sozialdemokraten.

Wer war der „Heide-Mörder“? Der Fall Heide Simonis

Rudolf SCHARPING + Oskar LAFONTAINE
Rudolf Scharping (links) wurde auf einem SPD-Parteitag als Vorsitzender gestürzt, sein Nachfolger wurde Oskar Lafontaine. © picture alliance / SZ Photo | Pa

Auf einem Parteitag 1995 hielt SPD-Parteichef Rudolf Scharping eine kraftlose Rede, er war damals ohnehin angeschlagen. Dann trat Oskar Lafontaine ans Mikrofon und begeisterte die Genossen. Es geriet etwas ins Rollen, die Unterstützung für Lafontaine wuchs stündlich, schließlich kommt es noch auf dem Parteitag zu einer ursprünglich nicht geplanten Kampfabstimmung – die Scharping verliert. Umstritten ist, inwiefern die Revolte vorbereitet war. „Oskar, manches hat bitter weh getan“, sagte der tief getroffene Scharping nach seiner Niederlage.

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#7 Daniel Günther über guten Stil in der Politik - und Markus Söder

Meine schwerste Entscheidung

Opfer einer nicht aufgeklärten Intrige wurde die inzwischen verstorbene Sozialdemokratin Heide Simonis. Seit 1993 war Simonis Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein, als sie sich nach der Landtagswahl 2005 wiederwählen lassen will. SPD und Grüne kamen nur mit den Stimmen der beiden Abgeordneten des Südschleswigschen Wählerverbands auf eine hauchdünne Mehrheit. Simonis‘ Wiederwahl schien jedoch sicher. Doch in vier Wahlgängen fehlte der SPD-Politikerin jeweils eine Stimme, daraufhin zog Simonis zurück. Ihre politische Karriere war beendet. Wer der „Heide-Mörder“ war, ist bis heute ein Rätsel.

SIMONIS SCHROEDER MUENTEFERING
Wer war der „Heide-Mörder“? Die Sozialdemokratin Heide Simonis scheiterte 2005 bei ihrer geplanten Wiederwahl zur Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein in vier Wahlgängen. © picture alliance / AP Photo | Pa

FDP-Promi Kubicki dachte sogar an Selbstmord

Doch nicht nur in der SPD geht es rau zu. FDP-Promi Wolfgang Kubicki ist durch Jahrzehnte im Geschäft gestählt in der politischen Auseinandersetzung – und auch im Umgang mit der eigenen Partei keineswegs zimperlich. „In der Politik ist jeder ihrer Parteifreunde auch immer ein Konkurrent, immer ein Mitwettbewerber“, sagte Kubicki in einer ARD-Dokumentation von 2012. „Deshalb gibt es wahre Freundschaften innerhalb der gleichen politischen Gruppierung extrem selten.“

Bundestag
Er kann austeilen, musste aber auch einstecken: FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. © DPA Images | Kay Nietfeld

Kubicki erinnerte sich in der Doku daran, wie er fast 20 Jahre vorher als FDP-Landes- und Fraktionschef in Schleswig-Holstein wegen seiner Verwicklung in eine Affäre um die Privatisierung einer Mülldeponie zurücktreten musste. Kubicki machte dafür auch Parteikollegen verantwortlich, die ihn „erledigen“ wollten, es sei um „Existenzvernichtung“ gegangen. Unter dem Druck habe er kurzzeitig sogar an Selbstmord gedacht, berichtete Kubicki. Dann erzählt er offen, dass er in den folgenden Jahren dafür gesorgt habe, dass die für die Intrige gegen ihn Verantwortlichen in der FDP nichts mehr geworden seien.

„Schmutzeleien“: Auch in der Union geht es hart zu

Anders als Scharping überstand der langjährige CDU-Chef und Bundeskanzler Helmut Kohl 1989 einen rund um einen Parteitag geplanten Putschplan und blieb noch neun Jahre Parteichef. Auch bei der Schwesterpartei CSU ging es im Kampf um den Parteivorsitz immer wieder hart und oft nicht sauber zu. „Charakterliche Schwächen“ und „Schmutzeleien“ hat CSU-Grande Horst Seehofer einmal dem jetzigen Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder vorgeworfen. Die Abneigung zwischen beiden soll tief sitzen.

CSU-Vorstand und Fraktion beraten über Koalitionsvertrag
Ihre Beziehung gilt als schlecht: die beiden CSU-Politiker Markus Söder (links) und Horst Seehofer. © picture alliance/dpa | Pa

Der Hintergrund für den Krach zwischen den beiden Alphatieren soll auf das Jahr 2007 zurückgehen: Damals berichtete die „Bild“-Zeitung über ein uneheliches Kind, das der konservative Politiker und Familienvater Seehofer in Berlin gezeugt hatte. Die Veröffentlichung erschien ausgerechnet, als Seehofer mit Erwin Huber um den CSU-Vorsitz konkurrierte. Berichten zufolge soll Seehofer hinter dem Bericht Söder vermuten. Huber wurde Parteichef – aber nur für kurze Zeit.

CSU-Politiker: „Verletzungen sind am schmerzlichsten, wenn sie aus dem eigenen Freundeskreis kommen“

Gut ein Jahr später trat Huber nach einem enttäuschenden Ergebnis bei der bayerischen Landtagswahl schon wieder zurück. Sein Nachfolger: Horst Seehofer. „Die Verletzungen sind am schmerzlichsten, wenn sie aus dem eigenen Freundeskreis kommen“, dachte Huber selbst einmal an seine aktive Zeit in der Politik zurück.