Berlin. Der CDU-Chef geht öffentlich auf Distanz, die Umfragewerte bleiben mies: Den Liberalen läuft vor den Neuwahlen die Zeit davon.

Am kommenden Mittwoch will Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage stellen, in der Woche darauf soll darüber abgestimmt werden. Die vorgezogenen Neuwahlen sind für den 23. Februar geplant – also in gut zweieinhalb Monaten.

Wenn die Strategen in der Berliner FDP-Zentrale auf den Kalender und die aktuellen Umfragen schauen, dann dürfte ihnen ziemlich mulmig zumute sein: Die Zeit drängt, aber die Liberalen kommen nicht aus der Todeszone heraus. Sie müssen weiterhin damit rechnen, beim Urnengang an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern.

Auch interessant

Olaf Scholz / SPD
Von Carlotta Richter, Jochen Gaugele, Jan Dörner und Jörg Quoos

Das am Freitag veröffentlichte Politbarometer des ZDF taxiert sie derzeit auf vier Prozent. Den gleichen Wert hatte am Tag zuvor auch der ARD-Deutschlandtrend ausgewiesen.

podcast-image

Aktuelle Umfragen: Die FDP hat sich zumindest nicht weiter verschlechtert

Positiv gewendet könnte man sagen: Die jüngste Debatte über das Ampel-Aus und das umstrittene, mit Weltkriegs-Rhetorik versehene „D-Day“-Papier der FDP scheint den Freien Demokraten nicht noch weiter geschadet zu haben. Sie sind einigermaßen stabil, wenn auch auf niedrigem Niveau. Negativ gewendet aber stellt sich der Befund wie folgt dar: Das von FDP-Chef Christian Lindner ausgegebene Ziel, bei der Wahl zweistellig und Teil der nächsten Bundesregierung zu werden, scheint Lichtjahre entfernt zu sein. Es zu erreichen, wird angesichts der knappen Zeit von Tag zu Tag schwieriger. Die Liberalen können froh sein, wenn die Wähler sie im Februar nicht in die außerparlamentarische Opposition schicken. Geschieht dies aber doch, wären Lindners Tage an der FDP-Spitze vermutlich gezählt.

Auch interessant

In dieser Situation entschloss sich Lindner nun zu einer bemerkenswerten Aktion: Er wandte sich in einem am Freitag veröffentlichten Video an CDU-Chef Friedrich Merz, der nach Lage der Dinge der nächste Kanzler werden dürfte. Lindner, der einen guten persönlichen Draht zu Merz pflegt, warnte den Christdemokraten vor einer Annäherung an die Grünen: Wenn sich Merz jetzt offen zeige, dass der Grüne Robert Habeck Wirtschaftsminister bleiben könne, „dann könnte das ja ein Zeichen dafür sein, dass es doch nur um eine Form des ‚Weiter so‘ geht – und nicht um die grundlegende Wende, die wir in unserem Land brauchen“, sagte der FDP-Chef.

Christian Lindner: Eine Videobotschaft an den CDU-Chef

Merz hatte Mitte der Woche in der ARD gesagt, es brauche gerade in Sachen Wirtschaft einen Politikwechsel. „Mit Habeck oder ohne Habeck. Das muss Habeck entscheiden, wenn er noch dabei ist.“ Das konnte man so verstehen, dass sich Merz grundsätzlich doch eine Koalition mit den Grünen vorstellen kann – ganz im Gegensatz zu CSU-Chef Markus Söder, der diese Option erklärtermaßen verhindern will.

Der Druck auf FDP-Chef Christian Lindner bleibt hoch.
Der Druck auf FDP-Chef Christian Lindner bleibt hoch. © dpa | Christoph Soeder

Lindner wies in seinem Video auch Kritik von Merz daran zurück, dass er den umstrittenen amerikanischen Tech-Unternehmer Elon Musk und den ultraliberalen argentinischen Präsidenten Javier Milei in mancherlei Hinsicht als Vorbilder für Deutschland sehe. Er wolle nicht deren Meinungen und Stil übernehmen, sagte der FDP-Chef. Aber vielleicht könne man sich dennoch bei ihnen etwas abschauen.

„D-Day“-Affäre: Was wusste der Parteivorsitzende?

Lindner scheint die Sorge umzutreiben, dass sich die Christdemokraten im Wahlkampf scharf von den Liberalen abgrenzen könnten. Eine Zweitstimmen-Hilfe für die FDP werde es nicht geben, das hat Merz schon klargemacht. Führt die Union jedoch auch einen gezielten Wahlkampf gegen die FDP, dürfte es für diese noch schwieriger werden, im bürgerlichen Lager zu punkten und über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen.

podcast-image

Unklar ist zudem, ob Lindner die „D-Day“-Affäre tatsächlich schon überstanden hat: Der „Spiegel“ schrieb am Freitag, es sei „zunehmend unglaubwürdig“, dass der FDP-Chef tatsächlich keine Kenntnis von dem fraglichen Papier gehabt habe. Zu Wort kommt ein namentlich nicht genannter Insider, der behauptet, der Parteichef habe das Papier selbst in Auftrag gegeben. Entgegen der bisherigen Darstellung soll es der mittlerweile geschasste Bundesgeschäftsführer nicht aus eigenem Antrieb erstellt haben. Belege dafür werden allerdings nicht geliefert.