Brüssel. Außenministerin Baerbock stellt die deutsche Beteiligung an einer Friedensmission in Aussicht. Der Plan, und warum es Bedenken gibt.
Noch ist kein Waffenstillstand in der Ukraine in Sicht. Aber in Deutschland und anderen Nato-Staaten wird schon über den Einsatz von Soldaten in der Ukraine gesprochen, um eine Waffenruhe oder eine Friedenslösung abzusichern. Müssen Bundeswehr-Soldaten bald in die Ukraine?
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) befeuerte die Debatte beim Nato-Treffen in Brüssel. Sie sagte, neben Sicherheitsgarantien wie einer Nato-Mitgliedschaft der Ukraine stehe auch eine internationale Präsenz zur Absicherung eines Waffenstillstandes im Raum. Auf die Frage nach einer möglichen deutschen Beteiligung an einer solchen Mission sagte sie bei der Tagung mit ihren Außenministerkollegen, man werde alles, was dem Frieden in der Zukunft diene, „von deutscher Seite mit allen Kräften unterstützen“. Baerbock hatte die Pläne zuvor schon bei einer Experten-Tagung in Berlin ventiliert, da wurde sie noch deutlicher: „Wir werden uns nicht wegducken“, sagte sie. Bei solchen Missionen würde Deutschland „sicherlich als größte und wichtigste Nation in Europa eine wichtige Rolle spielen.“
Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), bremst aber: „Für eine Friedensmission und den Einsatz von Nato-Bodentruppen gibt es aktuell keine Grundlage“, sagte Högl unserer Redaktion. „Daher ist es zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht angebracht, über eine mögliche Beteiligung der Bundeswehr zu spekulieren.“ Aufgabe der Bundeswehr sei es aktuell, die Ukraine weiterhin durch Material und Ausbildung bestmöglich zu unterstützen, um damit die Chancen der Ukraine für den Sieg und für den Frieden zu erhöhen.
Nato-Soldaten in die Ukraine? Frankreich und Großbritannien treffen Vorbereitungen
Doch berichten Nato-Diplomaten in Brüssel, dass auch Frankreich und Großbritannien die Entsendung von Soldaten vorbereiten. Baltische Staaten und Polen könnten sich ebenfalls eine Beteiligung vorstellen, heißt es. Der mögliche Auftrag: Die Einheiten könnten an einer Kontaktlinie oder in einer Pufferzone zwischen der Ukraine und den russisch besetzten Gebieten einen Waffenstillstand überwachen. Die europäischen Soldaten würden aber ausdrücklich nicht im Rahmen eines Nato-Einsatzes agieren, das gilt wegen der Spannungen mit Russland als ausgeschlossen.
Nach Informationen unserer Redaktion wird stattdessen sondiert, Staaten des sogenannten globalen Südens einzubeziehen: Südafrika, Indien, China, die Golf-Staaten gelten als mögliche weitere Truppensteller. Noch ist offen, ob es sich eher um eine Beobachtermission handeln würde oder um einen robusteren Einsatz mit gut ausgerüsteten Truppen – die riskieren müssten, in mögliche Scharmützel oder größere Konflikte zwischen der Ukraine und Russland hineingezogen zu werden.
Die Alternative aus westlicher Sicht wäre, die Ukraine bei einer Friedenslösung schnell in die Nato aufzunehmen, ohne die von Russland besetzten Gebiete – der dazu notwendige einstimmige Beschluss der 32 Mitglieder ist aber nicht in Sicht, Nato-Staaten wie Ungarn und die Türkei melden Widerstand an. Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hatte deshalb während ihrer Reise nach Kiew am Wochenende ebenfalls einen europäischen Beitrag für eine Friedenstruppe ins Gespräch gebracht. Die Soldaten könnten aus Mitgliedsländern kommen, die sich schon früher offen für eine Truppenentsendung geäußert hätten, vor allem Frankreich oder die baltischen Staaten, sagte Kallas.
Hinter diesen Vorstößen steht auch die Sorge, dass die Europäer ohne einen solchen Beitrag bei möglichen Friedensgesprächen, wie sie dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump vorschweben, außen vor bleiben könnten. Baerbock sagt: „Es wird keinen Frieden geben, wenn die Europäer nicht mit am Verhandlungstisch sitzen.“ Allerdings: Nato-Generalsekretär Mark Rutte versuchte in Brüssel energisch, die Debatte zu stoppen.
Rutte mahnte, die Nato-Staaten sollten sich jetzt auf darauf konzentrieren, die militärische Unterstützung für die Ukraine zu stärken, damit das Land in eine starke Position für mögliche Verhandlungen komme. Dies sei viel dringlicher als Diskussionen über einen Friedensprozess. „Die Ukraine braucht keine neuen Ideen, wie ein Friedensprozess aussehen könnte“, erklärte der Nato-Generalsekretär. Er fürchtet, dass diese Diskussion die ohnehin schwächelnde Bereitschaft der westlichen Staaten zur militärischen Unterstützung weiter unterminieren könnte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich im Bundestag entsprechend vage zu einem solchen Einsatz: Scholz sagte lediglich, er halte es für ausgeschlossen, dass Deutschland „in der gegenwärtigen Situation“ Truppen in die Ukraine schicke.
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Baerbock lenkte in Brüssel später ein und stellte klar: „Solange Putin nicht bereit ist, über Frieden am Verhandlungstisch zu sprechen, heißt Friedenssicherung für die Ukraine mehr Unterstützung im Krieg.“ Die Gespräche über die riskante Mission gehen in vertraulichen Runden trotzdem weiter: Die Zeit drängt, weil sich Trump zum Ziel gesetzt hatte, den Ukraine-Krieg durch Vermittlung in Kiew und Moskau sehr schnell zu beenden. Eine Friedenstruppe müsste also zügig einsatzbereit sein.
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