Brüssel. Gefährlicher Deal: Männer aus Jemen kämpfen unfreiwillig für Russland an der Front – dafür heizt Moskau den Konflikt in Nahost an
Die Männer aus dem kriegsgeplagten Jemen kamen nach Russland, weil man ihnen gut bezahlte Jobs versprochen hatte und die russische Staatsbürgerschaft dazu. Doch die Reise in ein besseres, friedliches Leben wurde zum Albtraum: Die arabischen Männer wurden nach ihrer Ankunft in Moskau gewaltsam in die russische Armee eingezogen und an die Front geschickt – in den Krieg gegen die Ukraine. Über die brutale Rekrutierung durch das Regime von Präsident Wladimir Putin berichtet jetzt die britische „Financial Times“. Die Zeitung beruft sich unter anderem auf Videos und auf Textnachrichten, die sie mit betroffenen Männern an der Front und mit Verwandten austauschen konnte.
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Personalnot der russischen Armee, die nach neuen Schätzungen bereits 700.000 Soldaten im Ukraine-Krieg durch Tod oder Verwundung verloren hat. Die mindestens 12.000 Soldaten aus Nordkorea, die Machthaber Kim Jong-un für den Kriegseinsatz nach Russland geschickt hat und die zum großen Teil bereits in der Region Kursk kämpfen, sind offenbar kein Einzelfall.
Auch in anderen Regionen der Welt sucht die russische Armee jetzt nach Soldaten, vereinzelt sogar Söldner aus Indien oder Nepal – weil eine großangelegte Mobilisierung in Russland aus Sorge vor möglichen Unruhen solange wie möglich vermieden werden soll. Doch während Putin die Unterstützung im Fall Nordkorea direkt mit dem Machthaber Kim Jong-un als Teil einer neuen Sicherheitspartnerschaft aushandelte, bedient sich die russische Armee im Jemen offenbar der Hilfe eines privaten Unternehmens, das mit den jemenitischen Huthi-Rebellen in Verbindung steht und nun quasi als Menschenhändlerorganisation fungiert.
Befürchtungen von US-Geheimdiensten scheinen sich zu bewahrheiten
Die Rekrutierung hatte offenbar im Juli begonnen, inzwischen sollen Hunderte Jemeniten in Russland im Kriegseinsatz sein. Einige der Männer mit Kampferfahrung hatten wohl in Kenntnis eines Fronteinsatzes Verträge unterzeichnet. Doch die meisten hätten überhaupt keine militärische Ausbildung und seien mit dem Versprechen lukrativer Arbeitsplätze in Bereichen wie „Sicherheit“ oder „Ingenieurwesen“ angelockt worden, zitiert die „Financial Times“ aus den SMS.
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Ein Jemenit berichtete demnach, man habe ihm einen Bonus von 10.000 Dollar und 2.000 Dollar pro Monat sowie irgendwann die russische Staatsbürgerschaft versprochen, wenn er in Russland an der Herstellung von Drohnen arbeite. Als seine Gruppe von etwa 200 Männern im September in Moskau eingetroffen sei, seien sie gewaltsam abtransportiert und gezwungen worden, Einberufungsverträge auf Russisch zu unterschreiben, die sie gar nicht verstanden hätten.
Als sie sich zunächst weigerten, habe ein Mann mit einer Pistole über ihre Köpfe hinweg geschossen. „Ich habe unterschrieben, weil ich Angst hatte“, berichtete der Mann. Sie hätten zunächst eine militärische Grundausbildung erhalten und seien dann zu einem Stützpunkt in der Nähe der ukrainischen Grenze gebracht worden. Viele der Männer seien inzwischen gefallen.
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Putin zeigt sich auf seine Weise erkenntlich: So wie er Nordkorea unter anderem mit Raketentechnik versorgt, werden auch die Huthi-Rebellen von Russland zunehmend unterstützt. Mindestens zweimal in diesem Jahr waren Huthi-Delegationen in Moskau, es gibt offenbar Gespräche über Waffenlieferungen – etwa von modernen Anti-Schiffsraketen, die es den Huthis ermöglichen würde, im Roten Meer umfassender und gezielter den westlichen Schiffsverkehr anzugreifen. Schon seit Längerem gibt es Hinweise, dass Russland den Huthis mit iranischer Unterstützung Satellitendaten für die Zielauswahl im Roten Meer zur Verfügung stellt. Die Befürchtung von US-Geheimdiensten, dass Putin im Nahen Osten jetzt gezielt Gegner der USA aufrüstet und zu Angriffen ermutigt, scheint sich damit schneller als erwartet zu bewahrheiten.