Berlin. Trotz Fortschritte bei der Gleichberechtigung: Frauen werden viel zu oft Opfer von Hass und Gewalt. Dahinter steckt ein tief sitzender Sexismus.

Einfach, weil sie eine Frau ist: Fast täglich wird in Deutschland ein Femizid begangen, Täter sind zum größten Teil Partner oder Ex-Partner. Alle drei Minuten erlebt ein Mädchen oder eine Frau häusliche Gewalt. 140 Frauen werden täglich Opfer einer Sexualstraftat. Frauen werden mit pornografischen Bildern, vor allem sogenannten Dickpics, belästigt, sie müssen beleidigende und obszöne Attacken auf der Straße ertragen („Catcalling“).

Die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes sprechen eine klare Sprache: Gewalt und Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen nehmen zu, die Fälle werden heftiger. Wie viel im Verborgenen passiert, ohne dass es zur Anzeige kommt aus Angst vor entwürdigenden Prozessen und Schuldumkehr, ist unklar, sogenannte Dunkelfeldbefragungen gibt es nicht. Experten vermuten aber auch da einen entsprechenden Anstieg.

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Sexismus ist nach wie vor in der Gesellschaft verankert

Wie kann das sein, trotz aller Fortschritte bei der Gleichberechtigung? Tatsächlich beruht die  Gesellschaft in Deutschland nach wie vor auf einem tief verankerten Sexismus – und der verleiht Männern Privilegien, die Frauenhass begünstigen. Das größte Privileg ist sicherlich, sich nicht erklären zu müssen. Ob sie Kinder bekommen neben ihrer Karriere, ob sie auf Kinder lieber verzichten, ob sie die Care-Arbeit anderen überlassen, ob sie sich um die alten Eltern kümmern oder auch nicht: Sie entscheiden sich für ein Lebensmodell, das vom Umfeld nicht hinterfragt wird. Frauen sind einem permanenten Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der sie massiv unter Druck setzt.  

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Annalena Baerbock ist das beste Beispiel. Der grünen Außenministerin wird seit Jahren unterstellt, sich nicht genug um die Familie zu kümmern. Seit Bekanntwerden der Trennung von ihrem Mann ist sie erst recht sexistischen Anfeindungen und Hass übelster Art ausgesetzt – eine zutiefst private Angelegenheit wird von der Öffentlichkeit diskutiert und bewertet. Ein sexistischer Mob im Internet hat sie zum Feindbild Nummer 1 erklärt. All die anderen gescheiterten Ehen von männlichen Politikern sind dem Netz hingegen vollkommen egal, ob Kinder im Spiel sind oder nicht.

Birgitta Stauber, Textchefin der Zentralredaktion.
Birgitta Stauber, Textchefin der Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Immerhin bekommt Baerbock inzwischen breite Unterstützung. Frauen solidarisieren sich, wehren sich gegen die üblen Verleumdungen. Immer breiter wird auch in Frankreich die Bewegung gegen Sexismus und Gewalt; Zehntausende Menschen gingen auf die Straße, weil sie aufgerüttelt sind vom Fall Gisèle Pelicot. Sie wurde unzählige Male von ihrem Mann betäubt und anderen Männern zur Vergewaltigung überlassen.

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Auch Männer machen mit beim Kampf gegen Frauenhass, und das ist ein echter Lichtblick. Tatsächlich müssen sie ihre Gleichgültigkeit gegenüber Frauenhass und Sexismus aufgeben. Es reicht nicht zu sagen: „Ich bin selbst nicht gewalttätig.“ Sie müssen handeln, andere Männer abhalten, frauenverachtende Strukturen und aggressive Männlichkeit thematisieren. Und natürlich bedeutet das auch, dass sie ihre auf Sexismus beruhenden Privilegien abgeben.

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