Erfurt. Die BSW-Landeschefin in Thüringen, Katja Wolf, zeigt sich kompromissbereit. Wieso das für Sahra Wagenknecht zum Problem werden könnte.
Wenn sie nach Sahra Wagenknecht gefragt wird, versucht die Frau, die in Thüringen regieren will, keine Miene zu verziehen. BSW-Landeschefin Katja Wolf steht am Montagnachmittag mit Co-Chef Steffen Schütz und den Vorsitzenden von CDU und SPD im Landtag und verkündet die Einigung auf eine Friedenspräambel – als Voraussetzung für Koalitionsverhandlungen.
„Sie sehen mich nicht völlig entspannt“, sagt die 48-Jährige. Was das bedeutet? Wolf weiß, dass sie sich mit der öffentlichen Vorstellung der Präambel auch gegen die Parteigründerin stellt. Anders als im Einigungspapier von BSW und SPD in Brandenburg findet sich in Thüringen keine klare Kritik an der geplanten Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland.
Auch interessant
Dennoch: Katja Wolf, die zwölf Jahre Oberbürgermeisterin in der Autostadt Eisenach und zuvor Landtagsabgeordnete für die Linken war, will in Thüringen mitregieren. Auch gegen den Willen ihrer Vorsitzenden, mit der sie im Wahlkampf noch Seite an Seite aufgetreten ist.
Thüringen: Katja Wolf setzt sich über Sahra Wagenknecht hinweg
An diesem Montag im Thüringer Landtag setzt sich Wolf final über Wagenknecht und die BSW-Bundesspitze hinweg und verkündet den Kompromiss, noch bevor ihn der eigene Landesvorstand abgesegnet hat. Ein riskantes Manöver, das Wagenknecht aber kaum erneut einfangen dürfte – und das gleichzeitig deutlich macht, dass Wolf sehr wohl bereit ist, innerparteilich ein Risiko einzugehen, um in Thüringen mitregieren zu können.
Warum es ausgerechnet Wolf zum BSW verschlagen hat? Die Politikerin hatte das Gefühl, dass es etwas Neues brauche und ihre Linkspartei es nicht mehr schaffe, sich der immer stärker werdenden AfD in Thüringen zu widersetzen. Wagenknecht wurde zu ihrem Vehikel in Thüringen. Die Antwort auf die Frage, wer wem nützt, hat Wolf spätestens am Montag gegeben.
Was beide eint, ist der Versuch, auf Volkes Stimme zu setzen. Wagenknecht, die Populistin, und Wolf, die ihre Erfahrungen aus der Malocher-Stadt Eisenach nutzt. Wolf und Wagenknecht – dass dies dennoch ein sehr ungleiches Frauendoppel ist, überrascht in Thüringen niemanden.
BSW in Thüringen: Wolf zeigt sich bereit für Kompromisse
Zumal Wolf die Unterschiede zu Wagenknecht immer wieder sehr deutlich gemacht hat. Eines der jüngeren Beispiele: Der ukrainische Präsident Selenskyj spricht im Bundestag, die Abgeordnete Wagenknecht ist nicht im Saal. Wolf findet das falsch, sie sagt dazu in der ZDF-Doku „Inside Bündnis Wagenknecht“: „Ich wäre sitzen geblieben.“ Warum? „Er ist ein demokratisch gewählter Präsident, das wäre für mich eine Hürde und er ist der Präsident eines überfallenen Landes. Deswegen wären das für mich zwei Argumente gewesen zu sagen: Ich höre mir das an.“
Auch interessant
Die Frontlinie zwischen den beiden Frauen verläuft ungefähr so: Auf der einen Seite steht Katja Wolf, die als Pragmatikerin in Thüringen regieren will. Dafür hat sie mit ihrem Landesverband bei der Friedensfrage Kompromisse gemacht. Auf der anderen Seite steht die Fundamentaloppositionelle Wagenknecht, die die Bundestagswahl vor Augen hat und für ihre Strategie keine Kompromisse gebrauchen kann.
Dass es zähe Verhandlungen waren, sieht man Wolf an. Intern wird sie den Dissens weiter mit Wagenknecht und der Bundesspitze ausfechten müssen. Denn kaum, dass das Thüringer BSW den Kompromiss verkündet hatte, flankte Wagenknecht von der Seite Kritik an dem Papier hinein und bezeichnete es als „Fehler“.
- Bündnis Sahra Wagenknecht: Wagenknecht zieht rote Linien – und beim BSW rumort es
- Sahra Wagenknecht: „Ich gründe keine Pro-Putin-Partei“
- Erfolgreiche Parteigründerin: Was hinter vorgehaltener Hand über Wagenknecht gesagt wird
- TV-Auftritt: Als Wagenknecht über Selenskyj spricht, ist Lanz fassungslos
- Die Methode Trump: Sahra Wagenknecht schleift das System