Washington. Hinter vorgehaltener Hand hoffen einige Republikaner auf eine Wahlniederlage ihres Kandidaten. Kann die Partei dem Trump-Imperium entkommen?
David French machte den Anfang. Der ehemalige Verfassungsrechtler gehört unter den Kolumnisten der „New York Times“ zum Konservativsten, was die wohl einflussreichste Zeitung der Vereinigten Staaten zu bieten hat. Streng gegen Abtreibung. Für Waffenbesitz. Gegen die Pro-Palästina-Proteste an US-Universitäten. Und so weiter und so fort.
Umso erstaunter war das Publikum des oft zitierten Analytikers, als er sich kürzlich offen für Kamala Harris aussprach. French hofft geradezu inständig darauf, dass Trump am 5. November so überragend deutlich gegen die Demokratin verliert, dass die Republikanische Partei im übertragenen Sinn bis auf die Grundmauern niederbrennt. Und aus ihren „Ruinen“ etwas „Anständiges“ neu aufgebaut werden kann.
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USA: Einige Republikaner hoffen heimlich auf den Kollaps der „Grand Old Party“
Für French steht fest, dass ein erneuter Sieg Trumps „nur seine Grausamkeit und die ideologische Transformation“ jener Partei „beglaubigen“ würde, die einst „eine wirkliche Kraft für das Gute in Amerika war“.
Für ihn eröffnet nur ein Kollaps der „Grand Old Party“ (GOP) nach einem Misserfolg für Trump die Chance auf die „Rückkehr eines Konservatismus, der Integrität wertschätzt, wirkliches Mitgefühl demonstriert und unsere grundlegenden Verfassungsprinzipien verteidigt“. Die Besonderheit bei French: Seine Einschätzungen werden hinter vorgehaltener Hand von vielen Republikanern alter Schule auf lokaler Ebene bis hin zum Kongress geteilt.
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Trumps Imperium bestimmt nun seit zehn Jahren die Republikanische Partei
Der ebenfalls erzkonservative Kommentator Erick Erickson berichtet von Gesprächen mit Parteifunktionären, die einen Zusammenbruch des bald zehn Jahre alt werdenden „Make America Great Again“-Imperiums Trumps herbeisehnen – weil nur so die Weichen für die Gesundung der Partei gestellt werden könnten.
„Wäre Trump im November nach der zweiten Niederlage hintereinander ein für alle Mal ausgemustert, hätten wir den Weg frei für eine schrittweise Rückkehr zu einer chaosfreien Politik mit Augenmaß, die auf die Mitte schaut und nicht auf den rechten Rand“, sagte ein republikanischer Delegierter aus Virginia bereits beim Parteitag in Milwaukee im Sommer unserer Redaktion. Seinen Namen wollte er aus Sorge vor Repressalien nicht veröffentlicht sehen.
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„Donald Trump kann man die Macht nicht anvertrauen“
Diese Angst hat Liz Cheney nicht. Die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney war sechs Jahre lang Kongressabgeordnete für Wyoming in Washington und ein Schwergewicht der Republikanischen Partei, bevor sie Trump und dessen Schauermärchen Kontra gab und ihm die charakterliche Befähigung für das höchste Staatsamt absprach. Dafür opferte Cheney ihre politische Karriere. Die Partei ließ sie auf Drängen Trumps fallen.
Was Cheney bis heute nicht davon abhält, glasklar Position zu beziehen. „Donald Trump kann man die Macht nicht anvertrauen“, sagte sie bei einer Rede an der Duke University in North Carolina und forderte das Publikum explizit dazu auf, Kamala Harris zu wählen. „Wir haben die Pflicht, unser Land und unsere Verfassung über die Parteilichkeit zu stellen.“ Cheney ist eine Ausnahmegestalt. Was sie sagt, findet jedoch bei vielen Konservativen, die ihre Partei seit 2015 durch Trump bis zur Unkenntlichkeit deformiert sehen, Zustimmung.
Zwei Gründe, warum die Republikaner aus einer Wahlniederlage gestärkt hervorgehen würden
Das stellt auch der Publizist Jonathan Martin fest. Aus diversen Recherchen im Maschinenraum der Partei – auch bei ihm gab sich keiner der Trump-Hasser namentlich zu erkennen – bündelt er diese Erkenntnis: „Wenn die Republikaner gewinnen wollen, muss Trump verlieren – und zwar gewaltig.“
Zwei Details, die in der öffentlichen Debatte bisher keine Rollen spielen, stechen dabei ins Auge. Sollte Harris die Wahl gewinnen und danach den von diversen Strafverfahren bedrohten Trump begnadigen, wäre aus Sicht hochrangiger Republikaner ein großer Motivationsfaktor für die Kernanhängerschaft des Ex-Präsidenten gegenstandslos. Parallel dazu verlören, wenn Trump endgültig von der Bühne abträte, die Demokraten ihre „größte Kraft für Einheit, Spendeneintreiben und Enthusiasmus“.
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Bei Trump-Niederlage drohen „Identitätskrise“ und „brutaler Machtkampf“
Dass der Abnabelungsprozess von Trump nicht friedlich abgehen würde, steht für das Magazin „Axios“ fest. Dort wird angenommen, dass Anti-Trumpianer wie Cheney und die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Nikki Haley im Falle einer Niederlage Trumps am 5. November alsbald mit dem Projekt Rückeroberung beginnen würden.
Dabei seien massive Widerstände programmiert, da Trump seit fast zehn Jahren die „GOP” zu seiner Geisel gemacht habe und die Ablehnung einer moderaten republikanischen Politik nach dem Vorbild Ronald Reagans in echte Feindseligkeit umgeschlagen sei.
„Axios“-Autor Zachary Basu rechnet mit einer „Identitätskrise”, einem „brutalen Machtkampf” um die ideelle Nachfolge Trumps und „Jahren in der Wüste“. Warum? Weil „die Identität einer Partei noch nie so eng mit dem Schicksal, dem Glück und den Fehlern eines Mannes verbunden war“.
Republikaner können sich normalisieren – aber Prozess werde Jahre dauern
Die Dramatik hält der Analyst Jonah Goldberg für übertrieben. Seiner Lesart nach würden sich die republikanischen Abgeordneten im Kongress nach einer Niederlage schon bald auf die Tugenden der Opposition besinnen und die Zeit bis zu den Zwischenwahlen 2026 nutzen, um sich der Harris-Regierung zu widersetzen. „Neue Präsidenten stehen im Mittelpunkt des Nachrichtenzyklus“, schreibt Goldberg. „Und wenn wir eines über die heutigen Republikaner wissen, dann, dass sie dorthin gehen, wo die Kameras sind.“
Ohne „Leitwolf, Einpeitscher und Sprachrohr“, meint auch der deutsche Politikwissenschaftler Stephan Bierling, könnten sich die Konservativen normalisieren. Aber der Prozess werde Jahrzehnte dauern.
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