Berlin. Das Bewerber-Duo für den Parteivorsitz scheint maßgeschneidert für die Pläne von Vizekanzler Habeck. Was steckt hinter dem Manöver?
Robert Habeck ist zufrieden: Als am Freitagnachmittag bekannt wird, wer sich um den Parteivorsitz der Grünen bewirbt, lässt die Reaktion des Vizekanzlers und Wirtschaftsministers nicht lange auf sich warten. Ein „starkes Signal für einen Neustart“ sei die Kandidatur von Franziska Brantner und Felix Banaszak, sagt Habeck. Auf dem Parteitag im November werde man „mit neuer Kraft nach vorne gehen.“ Erst mit zwei Instagram-Beiträgen, dann mit einem Statement vor der Presse hatten Brantner und Banaszak da gerade offiziell gemacht, worüber seit dem Rücktritt von Omid Nouripour und Ricarda Lang von der Grünen-Spitze spekuliert worden war, und öffentlich ihre Hüte in den Ring geworfen.
Die Weichen für den kommenden Bundestagswahlkampf dürften damit gestellt sein – und zwar so, dass alles auf Robert Habeck zuläuft.
Dass die 45-Jährige Brantner, die den Realo-Flügel der Partei vertritt und die als parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium eine enge Vertraute Robert Habeck ist, eine Favoritin für einen Teil der grünen Doppelspitze ist, hatte sich in den vergangenen Tagen schon abgezeichnet. Neben sie tritt nun mit Banaszak jemand, der aus dem linken Flügel der Partei kommt, aber politisch ganz ähnliche Themen bearbeitet.
Banaszak: Ein „Kind des Ruhrgebiets“ und der Grünen Jugend
Der 34-Jährige, der für den Wahlkreis Duisburg II im Bundestag sitzt, beschreibt sich selbst als „Kind des Ruhrgebiets“. Fürs Studium (Sozial- und Kulturanthropologie und Politikwissenschaft) ging er nach Berlin, kehrte aber bald danach zurück nach Duisburg. Die Themen seiner Heimatregion – die Umbrüche, der Strukturwandel, die Zukunft der Industrie – sind auch seine politischen Schwerpunkte. Obwohl erst seit 2021 im Bundestag, ist er parlamentarischer Berichterstatter der Partei für Industriepolitik und Energiewirtschaft – Themen, die zentral sind für den Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Ein wichtiger Bezugspunkt für ihn, sagt Banaszak selbst, ist dabei sein Großvater, der auf Kokerei Thyssen 4/8 gearbeitet habe. Strukturwandel sei Teil der Familiengeschichte.
Der Duisburger ist auch ein Gewächs der Grünen Jugend – jener Parteinachwuchsorganisation, deren Vorstand sich in dieser Woche unter großer Aufmerksamkeit von der Mutterpartei lossagte. Er trat dem Verband nach seinem Abitur 2009 bei, 2013 wurde er Bundessprecher.
Für seine Kandidatur wirbt er aber mit einer anderen Station seiner politischen Laufbahn: Dem Landesvorsitz der Grünen in NRW, einem großen und einflussreichen Landesverband der Partei. Als er das Amt Anfang 2018 übernahm, sei die Lage „nicht rosig“ gewesen, schreibt er in der Ankündigung seiner Kandidatur auf Instagram. Was übersetzt bedeutet, dass die Grünen damals in NRW knapp unter 10 Prozent in den Umfragen lagen.
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Andreas Audretsch soll Wahlkampfmanager werden
Bei der Landtagswahl 2022 holten sie dann 18,2 Prozent, fast 12 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor, und traten in die schwarz-grüne Landesregierung ein. Das Ergebnis harter Arbeit sei das damals gewesen, schreibt Banaszak – „und um eine solche harte Arbeit geht es jetzt auch“. Im Bund stehen die Grünen ein Jahr vor der Bundestagswahl derzeit bei nur 10 Prozent in den Umfragen, und das bei einem anhaltenden negativen Trend.
Bislang gibt es keine Gegenkandidaturen gegen das Team aus Brantner und Banaszak. Die scheidende Parteichefin Ricarda Lang, die innerhalb des linken Flügels immer noch Einfluss hat, sicherte Brantner auf Instagram volle Unterstützung zu.
Andreas Audretsch, der ebenso wie Banaszak den linken Parteiflügel vertritt und in den vergangenen Tagen auch als möglicher Kandidat für den Parteivorsitz gehandelt worden war, ist stattdessen als Wahlkampfleiter vorgesehen. Der promovierte Politikwissenschaftler Audretsch stammt aus Stuttgart, lebt aber seit vielen Jahren in Berlin, wo im er auch politisch zu Hause ist und den Wahlkreis Berlin-Neukölln im Bundestag vertritt. Seine Schwerpunktthemen sind Haushalt, Finanzen, Wirtschaft, Arbeit und Soziales. Wer Emily Büning, bisher Bundesgeschäftsführerin der Grünen, ersetzen könnte, war zunächst unklar.
Die Grünen sammeln ein Team mit wirtschaftspolitischer Erfahrung
In die Parteizentrale am Neuen Tor in Berlin könnte damit – wenn der Parteitag im November dem zustimmt – ein Team einziehen, dass ein großes Maß an wirtschaftspolitischer Expertise und Erfahrung mitbringt. Die Partei verkörpere die Überzeugung, „dass sich Ökologie und Ökonomie vereinbaren lassen, ja gegenseitig bedingen“, schriebt Brantner in der Ankündigung ihrer Bewerbung auf Instagram. Erkennbar bereitet sich die Partei auf einen Wahlkampf vor, in dem Wirtschaftspolitik eine entscheidende Rolle spielen soll. Das hatte zuletzt auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz klar gemacht.
Es ist ein Fokus, der auch zugeschnitten ist auf Wirtschaftsminister Habeck, der für die Partei als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen will. Auch darüber soll in Wiesbaden im November entschieden werden.
Nur als verlängerter Arm des Wirtschaftsministeriums wollen die beiden möglichen neuen Parteivorsitzenden allerdings offenbar auch nicht gelten. Auf die Frage, ob ihre Kandidatur bedeute, dass die Grünen nun ganz auf die Habeck-Linie einschwenkten, antwortete Brantner: „Ich kandidiere als Franziska Brantner, und wenn ich gewählt werden würde, dann bekommen alle Franziska Brantner.“
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