Düsseldorf. Die Vorschriften für Abschiebungen sind in NRW undurchsichtig. Die Opposition verlangt nun Klarheit über die gültigen Erlasse.

Die SPD-Opposition wirft der schwarz-grünen Landesregierung vor, die Hintergründe zur gescheiterten Abschiebung des Solingen-Attentätern Issa al H. zu vertuschen. Zum Beispiel sei die Erlasslage in NRW zu Abschiebungen so undurchsichtig, dass selbst Fachleute keinen Überblick mehr darüber hätten, welche Erlasse gerade gelten würden, heißt es.

Welche Erlasslagen galten zum Zeitpunkt des Abschiebeversuches und des Attentates?

Die Landesregierung soll dem Integrationsausschuss bis zum 2. Oktober schriftlich über die aktuelle Erlasslage zu Abschiebungen berichten. „Wir wollen wissen: Welche Erlasslage galt zum Zeitpunkt des Abschiebeversuchs, welche galt zum Zeitpunkt des Anschlags in Solingen, und was hat die Landesregierung seither bereits konkret veranlasst“, erklärte SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat gegenüber dieser Redaktion. Sie wirft CDU und Grünen vor, die Erlasse nicht mehr zu veröffentlichen. „Das kann ich nicht anders als den Versuch deuten, die aktuelle Lage durch größtmögliche Intransparenz zu verschleiern“, so Kapteinat.

Nicht alle Vorschriften werden veröffentlicht -- das erschwert den Überblick zusätzlich

Tatsächlich ist es praktisch unmöglich, einen kompletten Überblick über Abschiebe-Erlasse in NRW zu bekommen. Die NRW-Regierung erklärt zwar, dass diese Erlasse im Internet auf den öffentlich einsehbaren Seiten „Recht.NRW.de“ beziehungsweise unter „chancen.nrw“ stünden, schränkt aber ein, dass nicht alle Erlasse veröffentlicht werden müssten. Es gebe eine Reihe von möglichen Ausnahmen.

11.6.2023 Abschiebung Symbol, Asyl und Abschottung Stacheldrahtbewehrte Zäune, darüber ein Flugzeug. Frankfurt am Main F
In vielen Fällen gelingt eine geplante Abschiebung nicht. Bund und Länder müssen sich der Frage stellen, warum dies so ist. © IMAGO/Daniel Kubirski | IMAGO/Daniel Kubirski

Die SPD nennt als Beispiel für Intransparenz einen Erlass aus dem Jahr 2016 zur Aufenthaltsermittlung von Ausländern in Landeseinrichtungen, der ein konsequentes Aufspüren von Untergetauchten ermöglichen soll. Ob dieser Erlass noch galt, als der Solingen-Attentäter abgeschoben werden sollte, sei unklar, so der Vorwurf.

NRW-Landesregierung stellt die Erlasslage auf den Prüfstand

Dass die Regierung selbst den Überblick über die Erlasslage zu Abschiebungen verloren haben könnte, legt ihre eigene Kommunikation zum neuen „Maßnahmenpaket“ nahe: „Zu viele Abschiebungen scheitern an zu komplexen und fehleranfälligen Verfahren, die oft auch durch Bundesrecht bedingt sind“, heißt es. NRW kündigt jetzt eine „umfassende Überprüfung“ der Erlasslage an, um Abschiebungen künftig zu vereinfachen.

Der Solingen-Attentäter Issa al H. aus Syrien hätte bereits vor einem Jahr das Land verlassen müssen. Eine organisierte Rücküberstellung nach Bulgarien scheiterte allerdings im Juni 2023 an schweren NRW-Behördenfehlern. Die zuständigen Ämter trafen den Syrer nicht in seiner Unterkunft an und bemühten sich auch um keinen zweiten Versuch. Die grüne NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul steht seither in der Kritik.

Sicherheitspaket soll künftig auch Abschiebungen erleichtern

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte zuletzt Dutzende Maßnahmen wie mehr Befugnisse für Polizei und Verfassungsschutz sowie eine Neuordnung der Migrations- und Abschiebepolitik vorgestellt. Schwarz-Grün habe das „umfassendste Sicherheitspaket in der Geschichte unseres Landes“ geschnürt, so Wüst. Dazu gehört auch die Überprüfung der eigenen Erlasse.

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