Düsseldorf. Der Gewaltexzess an einer Essener Klinik verunsichert das Personal in Kliniken und Praxen in NRW. Er soll nicht folgenlos bleiben.

Angesichts des Gewaltexzesses in einem Essener Krankenhaus hat die neue Spitze der Ärztekammer Nordrhein am Mittwoch bekräftigt, wie sehr Menschen in den Gesundheitsberufen schon seit Jahren unter gewalttätigen Patienten litten. Sie fordert mehr Schutz von der Politik.

„Wir müssen unter besonderen Schutz gestellt werden“

„Was in Essen geschehen ist, macht mich betroffen. Wir verurteilen es aufs Allerschärfste, dass Menschen, die anderen Menschen helfen, angegriffen, bespuckt oder beleidigt werden“, sagte Ärztekammer-Chef Dr. Sven Dreyer. „Wir hoffen, dass wir als besondere Berufsgruppe künftig unter besonderen Schutz gestellt werden“, so Dreyer weiter. Die Gewalttäter müssten härter als bisher bestraft werden.

Im Essener Elisabeth-Krankenhaus hatten in der vergangenen Woche Angehörige eines verstorbenen Patienten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angegriffen und verletzt. Die Tatverdächtigen sollen dem Clan-Milieu angehören.

Die Ärztekammer appelliert an die Bundesregierung, im geplanten Gesetz zum Schutz von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften „explizit die Gesundheitsberufe in Praxen und Kliniken mit einzuschließen“.

Immer mehr Beschäftigte leiden unter aggressiven Patienten

Der Gewaltexzesses in Essen sei ein besonders krasser Fall, aber nur einer von vielen, die Mediziner, Pflegende und das Praxispersonal überall im Land belasteten. Laut einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in diesem Sommer, an der sich rund 7.600 Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Medizinische Fachangestellte beteiligten, gaben 85 Prozent der Befragten an, dass Beschimpfungen, Beleidigungen oder Bedrohungen durch Patienten in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hätten. Fast jeder Zweite gab an, in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal von einem Patienten körperlich angegriffen oder bedroht worden zu sein.

„Viele Betroffene berichten, dass ihnen der Beruf keinen Spaß mehr macht und dass es angesichts der zunehmenden Verrohung noch schwieriger wird, gutes Personal zu halten oder zu gewinnen“, warnte Dr. Arndt Berson, Vize-Vorsitzender der Ärztekammer Nordrhein.

Ein Patient demoliert eine Tür, ein anderer droht mit „Vergasung“

Berson sagte, er sei selbst zweimal Zeuge von „erheblichen Eskalationen“ gewesen. Einmal habe ein ungeduldiger Patient eine Feuerschutztür in Bersons hausärztlicher Gemeinschaftspraxis in Kempen am Niederrhein demoliert. In der Corona-Zeit habe ein anderer Patient, der mit positiven Covid-Test, aber ohne Maske in die Praxis gekommen sei, gedroht, man solle die Mitarbeitenden „vergasen“.

Der Ruf nach mehr Schutz durch den Gesetzgeber wird begleitet durch einen anderen Wunsch: „Wir brauchen eine wirklich gut gemachte Sensibilisierungskampagne für die Bevölkerung. Wir müssen deutlich machen, dass Ärztinnen und Ärzte allen kranken Menschen nach Schwere ihrer Krankheit und Dringlichkeit der Behandlung helfen wollen“, sagte Berson.

Rücksicht statt Egoismus -- der echte Notfall geht vor

So müsse der besorgte Vater, der mit seinem jammernden Sohn in der Notaufnahme sitze, weil der sich den Knöchel verstaucht habe, verstehen, dass der akute Herzinfarkt Vorrang habe. „Wenn wir das nicht wieder in die Köpfe und die Herzen kriegen, wird es noch schwieriger werden, junge Leute für die Gesundheitsberufe zu begeistern“, so Berson.

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