Düsseldorf. Wer Opfer von Gewalt oder Betrug wird, muss oft noch einen Zivilprozess durchleiden. Das will der NRW-Justizminister jetzt ändern.

Nordrhein-Westfalen will sich auf Bundesebene für eine leichtere Opferentschädigung schon im Strafprozess starkmachen. NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) schlägt Vereinfachungen zur Durchsetzung des Rechts auf Schadensersatz und Geldentschädigung vor. Bei der nächsten Justizministerkonferenz im November in Berlin werde das Thema zur Sprache kommen, kündigte die Landesregierung am Montag an.

„Kommt es zu einem Strafprozess, ist das der richtige Ort, den Täter nicht nur zu bestrafen, sondern ihn auch zu einer Wiedergutmachung angerichteten Schadens zu verurteilen“, erklärte Limbach gegenüber unserer Redaktion. Dafür müssten die Hürden des Prozessrechts abgesenkt und es den Strafgerichten ermöglicht werden, „ohne Klärung aller Schadensfolgen bis ins letzte Detail bereits eine Mindestentschädigung festzusetzen“, so der Minister.

Wird ein Täter wegen Straftaten wie Körperverletzung oder Betrug verurteilt, hat das bislang nicht zwingend eine Bindewirkung für eine Opferentschädigung. So ist häufig ein weiterer Zivilprozess mit Beweis- und Kostenrisiko notwendig, was sich insbesondere traumatisierte Geschädigte nach Gewalt- oder Sexualstraftaten nicht zumuten wollen.

Opferentschädigung: Oft ist ein Zivilprozess notwendig

Es gibt im Strafprozessrecht zwar das sogenannte „Adhäsionsverfahren“, das Basis für Schadenersatzforderungen ist und einen zweiten Prozess unnötig macht. Doch im NRW-Justizministerium wird bedauert, dass diese Variante trotz mehrfacher Reformen bis heute „nur ein Schattendasein“ führe. Das liegt offenbar daran, dass der Opfer-Antrag auf eine solche angehängte Entscheidung von den Gerichten abgelehnt werden kann, wenn die zivilrechtlichen Fragestellungen etwa zu genauen Verletzungsfolgen oder exakter Schadenshöhe das Strafverfahren stark zu verzögern drohen.

In anderen EU-Staaten gelingt Opferentschädigung leichter

Limbach verweist auf andere EU-Staaten wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande, in denen die Opferentschädigung offenbar besser ans Strafverfahren gekoppelt ist. Den NRW-Plänen zufolge sollten die Gerichte künftig zumindest die Möglichkeit erhalten, einen Mindestbetrag festsetzen zu können. Dafür müssten weder alle Verletzungsfolgen geklärt sein noch der Schadensverlauf abgeschlossen oder über ein Mitverschulden des Opfers final entschieden worden sein, argumentiert das NRW-Justizministerium.

„Dies kann zumindest erste finanzielle Nöte des Opfers lindern und einen ersten wichtigen Beitrag zur Genugtuung leisten“, findet Limbach. NRW hofft nun auf die Unterstützung anderer Bundesländer, zumal auch die Europäischen Kommission eine Änderung der EU-Opferschutzrichtlinie vorgeschlagen hat, um den Zugang der Opfer zu Entschädigungsansprüchen im Strafverfahren zu stärken.