Berlin. Die Bundesnetzagentur will die Netzentgelte fairer machen. In welchen Bundesländern Kunden sich 2025 auf sinkende Kosten freuen können.

Die Deutschlandkarte erneuerbarer Energien ist ein Flickenteppich. Windräder gibt es vor allem im Norden und Nordosten, im Südosten wächst die Zahl der Photovoltaikanlagen rasant. Und in einigen Ecken gibt es noch immer von beidem wenig.

Das soll sich ändern, bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen. Allerdings: Ausgerechnet in den Regionen, die vorangegangen sind, ist das für Verbraucher oft teuer. Denn viele Solaranlagen oder Windfarmen in einer Region bedeuten auch mehr Investitionen in das lokale Stromnetz, um deren Strom abzunehmen und verfügbar zu machen. Die mehr als 800 Verteilnetzbetreiber in Deutschland, die vor Ort den Strom zu den Kunden bringen, holen sich diese Kosten über die Netzentgelte von ihren Kunden zurück. Wo viel ausgebaut wird, müssen Verbraucher deshalb bislang viel zahlen.

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Das soll sich bald ändern: Ab 2025 sollen Netzbetreiber, die besonders viel erneuerbare Energien in ihrem Gebiet und deswegen hohe Kosten haben, entlastet werden. Damit sollen die Netzentgelte für ihre Kundinnen und Kunden sinken. Kunden in allen anderen Gebieten müssen dafür künftig etwas tiefer in die Tasche greifen.

Verbraucherschützer begrüßen die Änderung – Handlungsbedarf sehen sie schon seit Langem. „Im Moment ist die Spreizung bei den Netzentgelten sehr groß“, sagt Thomas Engelke, Energieexperte vom Verbraucherzentrale Bundesverband. „In Brandenburg zahlen private Verbraucher im Schnitt 12,45 Cent Netzentgelt pro Kilowattstunde, in Bayern sind es gerade mal 7,82 Cent.“

Netzengelte: Die einen zahlen weniger als 5 Cent, die anderen fast 15

Auch innerhalb der Länder gebe es große Unterschiede, sagt der Experte, und weist auf Bayern hin: Während einige Verbraucher dort nur 4,77 Cent pro Kilowattstunde zahlen würden, seien es bei anderen 14,42 Cent. „Darauf haben Verbraucher überhaupt keinen Einfluss – man kann ja nicht wegen der Netzentgelte umziehen“, sagt Engelke im Gespräch mit dieser Redaktion. Es sei deshalb gut, dass die Bundesnetzagentur das Thema angehe. Das Netzentgelt müsse „solidarisch“ werden.

Die Entscheidung der Bundesnetzagentur als zuständiger Behörde kam nach einem längeren Prozess. Die Behörde hat einen mehrstufigen Mechanismus festgelegt, der ab Januar greifen soll. Im ersten Schritt wird ermittelt, welche Verteilnetzbetreiber Anspruch auf einen Ausgleich der zusätzlichen Kosten haben. Dabei wird die Menge der installierten Erneuerbaren-Leistung ins Verhältnis gesetzt zum Maximum der Stromnachfrage in diesem Netz – überschreitet das Ergebnis einen Schwellenwert, gilt dieses Verteilnetz als besonders belastet.

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Energie: Erneuerbare sorgen für Entlastung

Im nächsten Schritt wird ermittelt, wie viel Mehrkosten sie durch den überdurchschnittlich hohen Ausbau der Erneuerbaren haben. Diese werden dann umgelegt auf alle Verteilnetzbetreiber und damit die Netzentgelte im Rest des Landes.

In Regionen, die schon jetzt viel erneuerbare Energie haben, können Verbraucherinnen und Verbraucher also auf Entlastung hoffen. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesnetzagentur bereits einmal durchgerechnet, wer davon besonders profitieren würde.

Nach Bundesländern betrachtet, sind es basierend auf den Zahlen von 2023 vor allem Länder im Norden und Nordosten, die auf dreistellige Millionensummen an Entlastungen hoffen können: Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein, aber auch Bayern. Für Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen würden immer noch mehr als 50 Millionen Euro Entlastung fällig, für einige andere Länder kleinere zweistellige Millionenbeträge. Keine Entlastung gebe es danach für Kundinnen und Kunden in Berlin, Hamburg und Sachsen. Einige der besonders betroffenen nord- und ostdeutschen Länder hatten schon seit Langem eine fairere Verteilung gefordert.  

Bis zu 170 Euro Entlastung für die einen, dafür 20 Euro mehr von den anderen

Konkret hatte die Behörde, die dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht, 26 Netze identifiziert, in denen die Entgelte nach dieser Verteilmethode sinken würden. Und das zum Teil deutlich: Für die Kundinnen und Kunden der Schleswig-Holstein Netz AG etwa würden die Netzentgelte danach um 35,9 Prozent sinken. Aufs Jahr gerechnet können Verbraucher in den besonders belasteten Regionen demnach mit bis zu 170 Euro Ersparnis rechnen.

Für alle anderen würde es nach der Prognose vom vergangenen Jahr etwa 20 Euro teurer werden. Eine „moderate zusätzliche Belastung“, heißt es dazu von der Netzagentur.

Weil 2024 aber eine große Zahl von Anlagen für erneuerbare Energie, insbesondere Photovoltaik, zugebaut wurden, sind diese Zahlen nur eine Orientierung. Wer ab 2025 konkret weniger zahlt und wer in welchem Umfang mehr, wird in wenigen Wochen bekannt: Im Oktober will die Netzagentur die entsprechenden Berechnungen vorstellen.

Wer entlastet wird, wird jedes Jahr neu berechnet

In Stein gemeißelt ist die neue Verteilung ohnehin nicht. Stattdessen soll künftig jedes Jahr neu ermittelt werden, welche Netze besonders belastet sind durch den Ausbau von Erneuerbaren. „Wo Netze in Zukunft die Schwellenwerte überschreiten, greift diese Entlastung dann auch für diese Netze“, sagte Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur. „Wo kräftig ausgebaut wird, wird also in Zukunft entlastet.“

Aus Sicht von Verbraucherschützer Engelke kann die jetzige Änderung aber nur der erste Schritt sein. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert, dass auch Redispatch-Kosten, die durch Netzengpässe entstehen, berücksichtigt werden sowie eine Reform verschiedener Umlagen, die die Preise für Verbraucher nach oben treiben. „Am Ende muss ein einheitliches Netzentgelt bundesweit stehen,“ sagt Engelke.