Berlin. Die Regierung will, dass Grenzbeamte stärker Schutzsuchende in Gewahrsam nimmt, wenn Fluchtgefahr besteht. Der Plan ist umstritten.
Deutsche Bundespolizisten weisen bereits massenhaft Schutzsuchende und Einreisende zurück. Frische Zahlen aus einem Papier der Bundesregierung deuten es an: 2023 wiesen die Grenzbeamten 35.618 Personen zurück, im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 21.661 Personen. Darunter vor allem Ukrainer, aber auch Afghanen und Syrer. Die Kontrollen werden nun ausgeweitet auf alle deutschen Grenzen.
Die Zahl der Asylsuchenden, die Polizisten an der Grenze festhalten, wird steigen. Und damit wächst aus Sicht der Sicherheitsbehörden ein Problem: Die Personen können nicht alle sofort zurückgewiesen werden – das wäre ein Rechtsverstoß gegen EU-Richtlinien. Sie können aber in Gewahrsam und auch in Überstellungshaft genommen werden.
Bundespolizei soll mehr Befugnisse erhalten
Vor allem dort, wo die Beamten die Identität von Geflüchteten nicht ermitteln können, dürfen deutsche Behörden Personen festhalten und in Gewahrsam nehmen. Das gilt schon jetzt, etwa nach Artikel 28 der sogenannten Dublin-Verordnung. Auch das Bundespolizeigesetz macht es möglich, Geflüchtete festzuhalten und sie für eine bestimmte Zeit einzusperren. Voraussetzung: ein Gerichtsbeschluss.
Die Bundesregierung will der Bundespolizei nun im Kampf gegen irreguläre Migration mehr Befugnisse geben – und sie sollen laut einem internen Beschluss des Innenministeriums künftig stärker davon Gebrauch machen, Schutzsuchende zu inhaftieren. Vor allem dann, wenn „Fluchtgefahr“ besteht, oder die Behörden mutmaßen, dass ein Mensch „untertauchen“ könnte.
Die Haftplätze sind knapp
Heikel ist die Frage: Gibt es ausreichend Haftplätze für Schutzsuchende, deren Anspruch auf Asyl erst noch geprüft werden muss? Zuständig für die Inhaftierung ist nicht die Polizei – sondern die Justizministerien der Bundesländer. Im März antwortet die Ampel-Koalition auf Anfrage der Linkspartei: Aktuell gebe es „in Deutschland 800 Abschiebungs- und Ausreisegewahrsamsplätze“. Teilweise betreiben die Justizbehörden keine eigenen Gefängnisse, sondern nur abgetrennte Bereiche in herkömmlichen Haftanstalten. Manche Bundesländer haben keine eigenen Einrichtungen, wie etwa Thüringen, und kooperieren mit anderen Ländern.
Obwohl Bundesländer in den vergangenen Jahren Kapazitäten aufgebaut haben, gelten die Plätze als knapp. Jedenfalls in einigen Regionen. Berlin etwa hat nach eigenen Angaben keinen Platz bis Herbst 2025 mehr frei. Das hat auch einen Grund: Geflüchtete dürfen nicht wie Verbrecher in Haft behandelt werden. Schließlich haben sie keine Straftat begangen, sondern ihr Schutzantrag soll geprüft werden. Für Bundesländer sind Abschiebeplätze daher aufwendig einzurichten, mit Sonderregeln für Freigang und Kontakt zur Außenwelt.
Rechtlich ist umstritten, dass die Bundespolizei Geflüchtete zu ihren Schutzersuchen befragt
Die knappen Plätze wirken sich aus auf den Polizeialltag an der Grenze – und damit auf die Ankündigungen der Bundesregierung: Wenn nun Beamte massenhaft kontrollieren, könnten sie bald gezwungen sein, die Menschen dennoch einreisen zu lassen, auch wenn sie in Gewahrsam sollen. Jedenfalls dann, wenn keine Haftplätze mehr frei sind.
Rechtlich ist ohnehin umstritten, dass die Bundespolizei Geflüchtete an der Grenze zu ihren Schutzersuchen befragt. Die Prüfung von Asylanträgen ist eigentlich Aufgabe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf).
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