Düsseldorf. Die Gewerkschaft GEW warnt vor einem Krisen-Schuljahr in NRW. Ihr Rezept für einen zeitgemäßen Unterricht lässt aufhorchen.

Zwei Tage vor dem Start ins Schuljahr hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) der NRW-Landesregierung vorgeworfen, Lehrkräfte sowie das Kita-Personal mit immer neuen Aufgaben zu konfrontieren, ohne ihnen dafür die nötige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.

„Schule und Kita sind auf Kante genäht“

„Schule und Kita sind auf Kante genäht“, sagte GEW-Landeschefin Ayla Çelik am Montag im Landtag. Eine Stunde mehr in Deutsch und Mathe in Grundschulen und das von NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) angekündigte „Sprachstand-Screening“ bei Kindern im Vorschulalter „liefen ins Leere“, wenn es kein Personal gebe, das diese Aufgaben bewältigen könne, warnte Çelik.

Es bringe auch wenig, die Eltern heranzuziehen, wenn es darum gehe, kleine Kinder sprachlich und in anderer Hinsicht fit zu machen für den Schulbesuch. Kinder aus nicht-akademischen Haushalten wären dann noch mehr als bisher im Nachteil gegenüber den Akademikerkindern.

NRW gibt weniger pro Kopf für die Bildung aus als andere Länder

„Es fehlen in NRW 6000 Lehrkräfte, jede fünfte Unterrichtsstunde fällt aus, und die Ausgaben pro Schüler und Jahr liegen mit 8300 Euro um 900 Euro unter dem Bundes-Durchschnitt.“ Würde die Landesregierung bei den Ausgaben pro Schüler auch nur deutsches Mittelmaß anpeilen, wären zusätzliche 2,3 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres notwendig, rechnete Çelik vor.

„Schule und Kita sehen sich gleichen Grundproblemen gegenüber. Sie sind absolutb unzureichend ausgestattet und leiden unter gravierenem Fachkräftemangel“, sagte Ayla Celik, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Montag im Landtag.
„Schule und Kita sehen sich gleichen Grundproblemen gegenüber. Sie sind absolutb unzureichend ausgestattet und leiden unter gravierenem Fachkräftemangel“, sagte Ayla Celik, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Montag im Landtag. © dpa | Marcel Kusch

NRW-Ministerpräsident Wüst (CDU), der die Bildung zur „Chefsache“ erklärt habe, lasse ein schwarz-grünes bildungspolitisches Versprechen nach dem nächsten zum Opfer eines „Spardiktates“ werden: das dritte beitragsfreie Kita-Jahr, das Gratis-Essen in Kitas, ein Ausführungsgesetz zur Verbesserung der Ganztagsbetreuung sowie das Versprechen, bis 2027 insgesamt 10.000 zusätzliche Lehrkräfte in die Schulen zu bringen. Speziell der Offene Ganztag (OGS) scheine ein „Stiefkind“ der beiden Ministerinnen Feller (CDU, Schule) und Josefine Paul (Grüne, Kinder und Familie) zu sein. Mit den umstrittenen Abordnungen schüre NRW zusätzlich die Unzufriedenheit in den Lehrerzimmern.

Hendrik Wüst hatte Bildung in seiner ersten Regierungserklärung im Jahr 2022 zwar nicht wörtlich zur „Chefsache“ erklärt, aber klargestellt, dass er die Förderung von Kindern und Jugendlichen für besonders wichtig halte. Damals sagte er: „Kinder sind unsere Zukunft. Den gut drei Millionen Kindern und Jugendlichen in unserem Land muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten. Jetzt geht es einmal mehr darum, gemeinsam Schule und Bildung in NRW nachhaltig zu stärken. Hierfür werde ich mich als Ministerpräsident besonders stark machen.“

Lehrpläne von „anno sowieso“: Was brauchen Kinder heute wirklich in der Schule?

Die GEW mahnt Entlastung für Lehrkräfte und Schulkinder an. Das Rezept dafür: Weniger Klassenarbeiten, das „Entrümpeln“ von Lehrplänen und neue Antworten auf die Frage, was Kinder in der Schule wirklich brauchen. „Wir sind eine Gesellschaft im Wandel, haben aber immer noch Bildungs-Vorgaben von anno sowieso“, kritisierte Ayla Çelik. In den Schulen müsse es auch möglich sein, über aktuelle Themen wie den Nahostkonflikt zu reden.

Die Gewerkschafterin lobte Ministerpräsident Wüst für dessen Unterstützung für Lehrkräfte, die gegen rechts demonstrieren. Nun müsse das klare politische Bekenntnis folgen, dass Schule kein neutraler Ort, sondern „ein hochgradig parteiischer Ort“ sei. Damit ist die Parteinahme für das Grundgesetz und die demokratischen Grundwerte gemeint. Wer diese Werte in Frage stelle, müsse in der Schule kritisiert werden können.

NRW-Schulministerin Feller: Grundschulkinder sollen besser schreiben, lesen und rechnen

„Mit mehr Unterricht in Deutsch und Mathematik, mit einem neuen Screening für die Grundschulanmeldung und mit dem Verzicht auf die umfangreichen Arbeitspläne an Grundschulen entlasten wir Lehrkräfte und fördern Schulkinder vom ersten Schultag an“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) vor wenigen Tagen im Landtag bei der Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn..
„Mit mehr Unterricht in Deutsch und Mathematik, mit einem neuen Screening für die Grundschulanmeldung und mit dem Verzicht auf die umfangreichen Arbeitspläne an Grundschulen entlasten wir Lehrkräfte und fördern Schulkinder vom ersten Schultag an“, sagte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) vor wenigen Tagen im Landtag bei der Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn.. © dpa | David Young

NRW-Schulministerin Feller hatte in der vergangenen Woche gesagt, im neuen Schuljahr liege ein besonderer Schwerpunkt auf der Förderung von Grundschulkindern. Die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen sollten gezielt gefördert werden. Dafür gibt es ab dem 2. Halbjahr eine Stunde mehr Mathe und Deutsch in der Woche. Außerdem solle künftig schon bei der Grundschulanmeldung der Sprachstand von Kindern im Kita-Alter mit einem digitalen Screening erfasst werden.

Mehr zum Thema