San Francisco. Wer verstehen will, warum Taylor Swift sich noch nicht hinter Kamala Harris gestellt hat, muss auch in ihren Tourkalender schauen.

Taylor Swift war gerade in Deutschland, zwischen ihren Konzerten in Gelsenkirchen und Hamburg, als Joe Biden die Bombe platzen ließ. Der Präsident ist aus dem Rennen gegen Donald Trump ausgestiegen, Kamala Harris soll es richten.

Jede Menge Prominente rührten sofort die Werbetrommel für Harris, sammelten Spenden ein. Aber der Superstar, auf dessen Unterstützung die Demokraten am meisten hoffen und um den seit Monaten im Hintergrund gebuhlt wird, hat sich bisher nicht zur designierten Kandidatin geäußert: Taylor Swift.

Taylor Swift: Früher hielt sie sich aus der Politik raus

Dabei glauben nicht wenige im von Zahlen besessenen Politzirkus in Washington, dass die 34-Jährige bei der Wahl im November ein entscheidender Faktor sein könnte. Zurecht? Entscheiden die Swifties, wie ihre Anhänger genannt werden, am Ende die Wahl? Zunächst einmal muss man verstehen, wie die Sängerin tickt.

Rückblende: Es ist keine zehn Jahre her, da schwieg die Sängerin noch grundsätzlich, wenn es um Politik ging. Als Trump 2016 ins Weiße Haus gewählt wurde, war sie stumm geblieben. Dabei hatten viele damit gerechnet, dass sich Swift hinter die Demokratin Hillary Clinton stellen würde.

„Ich spreche nicht über Politik, weil es andere Leute beeinflussen könnte. Und ich glaube nicht, dass ich schon genug weiß im Leben, um den Leuten zu sagen, wen sie wählen sollen“, so hatte sie das früher einmal selbst begründet.

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Das Trauma der Dixie Chicks

In Wahrheit steckte mehr dahinter, wie sie Jahre später verriet. Sie, und mehr noch ihre Manager und die Bosse der Musiklabels, hatten Angst. Angst, dass sie das gleiche Schicksal ereilen könnte wie die Dixie Chicks. Die drei Frauen aus Texas gehörten zu den erfolgreichsten Country-Stars des Landes. Bis sich Sängerin Natalie Maines 2003 in London auf die Bühne stellte und sagte, dass sie sich schäme, aus dem gleichen Bundesstaat zu kommen wie der damalige Präsident George W. Bush.

Die Folgen: ein amerikanischer Albtraum. Country-Radiostationen setzten die Dixie Chicks auf die schwarze Liste und spielten ihre Lieder nicht mehr, CD- und Ticketverkäufe brachen ein, Sponsoren sprangen ab und obendrein erhielt die Band Morddrohungen.

Swift, die als Teenagerin mit ihrer Familie nach Nashville in Tennessee gezogen war, weil sie von einer Karriere als Countrysängerin träumte, war selbst Fan der Dixie Chicks. Sie war gewarnt. Doch während der Präsidentschaft von Trump veränderte sich etwas.

Taylor Swift: „Das ist nicht das, wofür wir stehen“

2018 mischte sich Swift erstmals ein. Vor den Senatswahlen in ihrem Heimatstaat Tennessee sprach sie sich gegen die erzkonservative Republikanerin Marsha Blackburn aus, unter anderem wegen deren Ansichten zu Rechten von Frauen und der Queer-Community. Die Netflix-Doku „Miss Americana” enthüllt, wie Swift mit ihrem Vater und ihrem Team stritt, bevor sie ein entsprechendes Statement veröffentlichte. Ihre Worte damals: „Ich ertrage keinen weiteren Werbespot (mit Blackburn), der diese Politik hinter den Worten ‚christliche Werte von Tennessee‘ verbirgt. Ich lebe in Tennessee. Ich bin Christin. Das ist nicht das, wofür wir stehen.“

Das Statement markiert den Zeitpunkt der Wende. Die Sängerin wurde zum Feindbild vieler Republikaner, aber vor allem von Trump und seinen Anhängern. Bis hin zu wilden Verschwörungstheorien, dass es sich bei Swift um eine PsyOp des Pentagons handle. Also eine geheime Operation, bei der es um psychologische Manipulation ginge.

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In den Jahren darauf wurde klar, wo Swift politisch steht. Sie schimpfte öffentlich gegen Trump („Wir werden Sie aus dem Amt wählen“) und bereute, nicht schon 2016 gegen ihn Stellung bezogen zu haben. So stellte sie sich 2020 offiziell hinter Joe Biden und Kamala Harris. Damals sagte sie: „Der Wandel, den wir am meisten brauchen, besteht darin, einen Präsidenten zu wählen, der anerkennt, dass People of Color es verdienen, sich sicher und repräsentiert zu fühlen, dass Frauen das Recht verdienen zu entscheiden, was mit ihrem Körper geschieht, und dass die LGBTQIA+-Gemeinschaft es verdient, anerkannt und einbezogen zu werden“.

Der richtige Moment für Taylor Swift ist noch nicht gekommen

Warum zögert Swift dann jetzt noch? Die wahrscheinliche Antwort: Timing ist alles!

Als sich die Sängerin 2020 offiziell für Biden aussprach, war nur noch ein Monat Zeit bis zur Wahl. Jetzt sind es noch knapp drei Monate bis zur Wahl und Beobachter glauben, dass ein Statement für Harris aktuell nicht die Kraft entfalten würde wie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Anfangseuphorie für die neue Kandidatin etwas nachgelassen hat.

Letztes Europa-Konzert am 20. August – danach direkt zu Kamala?

Und ein Blick in Swifts Tourkalender verrät ebenfalls, warum sie womöglich noch zögert. Swift ist in Europa, spielt dort am 20. August ihr letztes Konzert, dann geht es zurück in die Staaten. Spekuliert wird sogar, dass sie überraschend auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten auftreten könnte, der am 22. August seinen Höhepunkt hat. Zeitlich würde das passen.

Taylor Swift tritt in Swing States auf

Was der Tourkalender noch verrät: Swift spielt vor der Wahl noch insgesamt zehn Konzerte mit Hunderttausenden Besuchern in den USA. Davon eines im wichtigen Swing State Michigan (Detroit) und jeweils drei in Indiana (Indianapolis) und Florida (Miami), zwei Staaten, die traditionell auch zu den umkämpften Battleground States gehören, die zuletzt aber deutlich an Trump gingen und in denen sich die Demokraten aktuell wenig Chancen ausrechnen.

Die entscheidende Frage: Welchen Einfluss könnte Swift auf die Wahl haben? Nach Ansicht der Experten geht es vor allem um die Mobilisierung der demokratischen Wählerbasis und nicht darum, Republikaner umzudrehen. David Jackson, der an der Bowling Green State University zum Einfluss von Prominenten auf Wahlen geforscht hat, erklärte gegenüber dem „Guardian“: „Wenn die politische Position in der Gruppe, die ich befrage, bereits populär ist, wird sie durch die prominente Unterstützung noch populärer. Wenn sie unpopulär ist, macht sie sie weniger unpopulär, aber sie macht sie nicht wirklich populär.“

Einfluss von Taylor Swift schon 2020 immens

Tatsächlich hatte sich das bei der vergangenen Wahl gezeigt. Wählerregistrierungen schossen nach dem Wahlaufruf von Swift nach oben. Laut der Beratungsfirma Whitman Insight Strategies war Swift hinter Lebron James die Prominente mit dem größten Einfluss auf die Wahl.

Eine nur wenige Wochen alte Studie von Redfield & Wilton hat zudem ergeben, dass Swift vor allem zwei Wählergruppen bei der aktuellen Wahl positiv beeinflussen würde, für den demokratischen Kandidaten zu stimmen: Millennials und die Gen Z. Zwei Gruppen, die unter dem Kandidaten Joe Biden zuletzt wenig elektrisiert waren.

Und noch eine Zahl verdeutlicht, welche Macht die Sängerin hat. Laut einer Umfrage sind 53 Prozent der Amerikaner Fan von Taylor Swift, verteilt über das ganze Land und über Parteigrenzen hinweg, wenn auch die Mehrheit ihrer Fans dem demokratischen Lager zugeordnet wird. Beliebtheitswerte, von denen Präsidenten träumen. Wenn sich am Ende nur ein paar tausend der Millionen Swift-Fans wegen ihr aufraffen würden, zur Wahl zu gehen, so könnte das in den umkämpften Staaten das Zünglein an der Waage sein.