Berlin. Damit Fachkräfte hierherkommen, sollen sie niedrigere Steuern zahlen. Ein Experte warnt vor den Ampel-Plänen – aus mehreren Gründen.

In fast allen Branchen fehlen Fachkräfte, der deutschen Wirtschaft entgehen deswegen Milliarden an Einnahmen. Für Qualifizierte aus dem Ausland sind andere Staaten aber oft attraktiver. Das will die Bundesregierung nun ändern, indem sie Fachkräfte aus dem Ausland mit Steuervergünstigungen lockt. Doch die Pläne treffen auf massive Bedenken.

„Es steht außer Frage, dass wir mehr ausländische Fachkräfte nach Deutschland holen müssen“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), Florian Köbler, unserer Redaktion. „Bei Steuerprivilegien für diese Gruppe wäre ich aber sehr zurückhaltend.“

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Köbler nannte mehrere Gründe für seine Skepsis. „Ein derartiges Vorgehen würde auch viel Bürokratie mit sich bringen – in den Betrieben und in den Finanzämtern“, sagte der Chef der Gewerkschaft des Personals der Steuerverwaltung. „Es erscheint mir fraglich, ob solche Steuervorteile mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar wären“, warnte Köbler zudem.

Fachkräfte aus dem Ausland: Steuerbonus in den ersten drei Jahren

Im Zuge der Haushaltsverhandlungen hatten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf ein Paket zur Unterstützung der Wirtschaft verständigt. Die Bundesregierung will ausländische Fachkräfte mit Steueranreizen nach Deutschland locken.

Geplant ist, dass neu zugewanderte Fachkräfte im ersten Jahr auf 30 Prozent ihres Bruttolohns keine Steuern zahlen. Im zweiten Jahr gilt dies noch für 20 Prozent, im dritten für zehn Prozent des Bruttolohns. „Für diese Freistellung werden wir eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definieren“, heißt es in den Beschlüssen der Koalition. „Die Regelung wird nach fünf Jahren evaluiert.“

Kritiker werfen der Bundesregierung vor, dadurch deutsche Arbeitskräfte zu diskriminieren. Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, warnte, die Regelung berge gesellschaftlichen Zündstoff.

Bundeskanzler Olaf Scholz (M., SPD), Finanzminister Christian Lindner (l., FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollen ausländische Fachkräfte mit Steueranreizen nach Deutschland locken.
Bundeskanzler Olaf Scholz (M., SPD), Finanzminister Christian Lindner (l., FDP) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollen ausländische Fachkräfte mit Steueranreizen nach Deutschland locken. © AFP | Ralf Hirschberger

FDP verteidigt Pläne: Steuerbonus zur Anwerbung weltweit gängige Praxis

Der stellvertretende Fraktionschef der FDP im Bundestag, Christoph Meyer, verteidigte die Pläne der Ampel, ausländischen Fachkräften in ihren ersten Jahren einen Steuerbonus einzuräumen. Deutschland müsse im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen und daher die Bedingungen für Fachkräfte drastisch verbessern, sagte Meyer unserer Redaktion.

„Ein Steuerbonus zur Anwerbung qualifizierter Fachkräfte ist seit Langem in der halben EU Standard und weltweit gängige Praxis, Deutschland muss hier gleichziehen“, sagte der FDP-Politiker. „Wer wie die CDU die Anwerbeprämie für eine Neiddebatte missbraucht, der schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland und setzt damit zukünftiges Wachstum und Wohlstand aufs Spiel.“

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    Steuerexperte Köbler nennt jedoch weitere Gründe, die aus seiner Sicht gegen das Vorhaben der Koalition sprechen. „Wir kritisieren in Deutschland immer wieder, dass sich einige Staaten mit einem steueraggressiven Vorgehen Wettbewerbsvorteile verschaffen – sei es im Werben um einzelne Personengruppen oder um Unternehmensansiedlungen“, fügte der DSTG-Bundesvorsitzende hinzu. Deutschland habe hier eine gewisse Vorbildfunktion. „Wir müssen aufpassen, dass sich das Spiel, das wir bei der Unternehmensbesteuerung erlebt haben, nicht bei den Arbeitnehmern wiederholt.“

    Köbler macht einen Gegenvorschlag und fordert eine Vereinfachung des Steuerrechts. „Das deutsche Steuerrecht gilt im Ausland als Dschungel“, sagte er. „Es wäre wünschenswert, wenn es insgesamt vereinfacht würde. Damit könnte man in- wie ausländischen Fachkräften etwas Gutes tun.“