Brüssel. Pro Jahr gehen 50 Milliarden Euro an die Mitgliedsländer – auch Deutschland – für Strukturprojekte. Doch die Fehlerquote ist immens.

Die Europäische Union verteilt jedes Jahr über 50 Milliarden Euro an die Mitgliedstaaten zum Abbau wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheiten. Doch jetzt zeigt ein neuer, brisanter Report des Europäischen Rechnungshofs: Beim Einsatz dieser Milliarden-Steuergelder ist die Fehlerquote viel zu groß, deutlich höher als bei anderen Ausgaben – auch in Deutschland. Die Kontrollen der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten seien unzureichend, sie nutzten ihre Prüfmöglichkeiten nicht ausreichend aus.

„Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen mehr tun, um Mittel auch im Sinne der Gesetze auszugeben“, sagt Rechnungshof-Mitglied Helga Berger. Die Kritik ist alarmierend, denn die sogenannten Kohäsionsmittel machen mehr als ein Drittel aller EU-Ausgaben aus: Im aktuellen Planungszeitraum von 2021 bis 2027 sind 378 Milliarden Euro eingeplant – davon 21 Milliarden Euro für Deutschland.

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Hauptnutznießer sind wirtschaftlich schwache Staaten in Ost- und Südeuropa. Gefördert werden etwa Investitionen in die Wirtschaftskraft, Umweltprojekte, Verkehrswege von europäischer Bedeutung. Das viele Geld wird jedoch, so die Analyse des Rechnungshofs, oftmals nicht so eingesetzt wie nach den EU-Regeln vorgesehen: Durchschnittlich knapp drei Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr wird fehlerhaft ausgegeben, in manchen Jahren auch deutlich mehr.

EU-Rechnungshof kritisierte laxe Kontrollsysteme

Die Prüfer haben bei ihrer Untersuchung des Haushaltszyklus von 2014 bis 2020 eine Fehlerquote von 4,8 Prozent festgestellt, allerdings mit steigender Tendenz: 2022 stieg die Fehlerquote auf den Höchstwert von 6,7 Prozent – das ist mehr als dreimal so viel wie der zulässige Schwellenwert von zwei Prozent vorsieht. Mal gab es Geld für Projekte, die gar nicht förderfähig waren, mal hielten sich die Mittelempfänger fahrlässig oder vorsätzlich nicht an die Vorschriften.

So funktioniert die EU

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    Mehr als ein Drittel der festgestellten Fehler hätten schon von den zuständigen Verwaltungsbehörden durch bessere Kontrollen verhindert werden können, so die Analyse des Rechnungshofs. Auch die Prüfbehörden der Mitgliedstaaten als zweite Instanz funktionierten nicht richtig – bei 40 der 43 vom Rechnungshof kontrollierten Prüfbehörden seien Schwachstellen verschiedenster Art festgestellt worden.

    Und schließlich seien die Kontrollinstrumente der EU-Kommission ebenfalls ungenügend: Auch bei schwerwiegenden Mängeln müssten die betroffenen Länder keinen Verlust von Fördermitteln fürchten, das Geld könne dann für andere Projekte verwendet werden – so entfalle der Anreiz für die Mitgliedstaaten, ihre Kontrollsysteme zu verbessern und Fehler zu vermeiden.

    Fehler bei Fördergeld-Vergabe auch in Deutschland

    Auch Deutschland ist betroffen. Bei einer Stichprobe des Rechnungshofs wurden hierzulande immerhin bei 13 von 60 Fällen Fehler festgestellt. In Spanien und Portugal beanstandeten die Rechnungsprüfer sogar ein Drittel der Fälle. Die monierten Regelverstöße heißen nicht zwingend, dass es sich am Ende stets um Geldverschwendung oder um Betrug handelt, stellt der Rechnungshof klar. In vielen Fällen aber schon.

    Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) hat kürzlich auf Grundlage seiner Ermittlungen berichtet, allein für das Jahr 2023 müssten über eine Milliarde Euro Fördermittel aus Steuergeld wegen missbräuchlicher Verwendung zurückgefordert werden. Ähnlich wie die Olaf-Ermittler sehen auch die EU-Rechnungsprüfer eher skeptisch in die nahe Zukunft: Zusätzlich zu den regulären Fördermitteln stünden jetzt auch Milliardensummen aus dem Corona-Aufbaufonds zur Verwendung bereit – das erhöhe den Druck auf die Länder, die Gelder ordnungsgemäß auszugeben.