Athen. Die Geste des türkischen Fußballers wird in Deutschland klar als rechtsextrem bewertet. In der Türkei sieht man das Problem woanders.

Die Reaktionen auf den sogenannten Wolfsgruß, den der türkische Nationalspieler Merih Demiral am Dienstagabend nach seinem zweiten Treffer gegen Österreich zeigte, schlagen jetzt auch in der Türkei Wellen. Die Empörung ist groß – aber nicht über das Verhalten von Demiral, sondern über die Kritik daran. Der türkische Justizminister Yilmaz Tunc sagte, es sei „skandalös“, dass die UEFA jetzt ein Disziplinarverfahren gegen den Spieler eingeleitet habe. Diese Entscheidung der UEFA sei „böswillig“ und „zielgerichtet gegen die Türkei“.

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Tunc erregte sich auch über die Stellungnahme von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Sie hatte am Mittwoch erklärt, es sei „völlig inakzeptabel, die Fußball-EM als Plattform für Rassismus zu nutzen“. Der türkische Minister forderte Faeser auf, sie solle sich „den Rassismus, die Diskriminierung und die Islamophobie ansehen, die sich in ihrem eigenen Land wie giftiger Efeu ausbreiten“.

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Merih Demiral: Kritik aus Türkei – Land bestellt Botschafter ein

Die Türkei bestellte am Mittwochabend aufgrund der Kritik in Deutschland den deutschen Botschafter ein. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Diplomatenkreisen.

Auch der Sprecher der Erdogan-Partei AKP, Ömer Celik, kritisierte Innenministerin Faeser scharf: „Wer nach Rassismus und Faschismus sucht, sollte sich auf die jüngsten Wahlergebnisse in verschiedenen Ländern Europas konzentrieren“, postete Celik in den sozialen Medien. Das Symbol der rechtsextremistischen „Grauen Wölfe“, das Demiral mit beiden Händen formte, ist in der Türkei durchaus gesellschaftsfähig – vor allem, seit die ultra-rechte Partei MHP, die politische Heimat der „Grauen Wölfe“, in einer Koalition mit dem islamisch-konservativen Staatschef Recep Tayyip Erdogan regiert. Die MHP propagiert einen aggressiven Pan-Turkismus.

Merih Demiral zeigt nach seinem Treffer zum 2:0 für die Türkei den umstrittenen Wolfsgruß – und sorgt damit international für Empörung. In der Türkei hingegen kann man die Aufregung nicht nachvollziehen.
Merih Demiral zeigt nach seinem Treffer zum 2:0 für die Türkei den umstrittenen Wolfsgruß – und sorgt damit international für Empörung. In der Türkei hingegen kann man die Aufregung nicht nachvollziehen. © dpa | Hendrik Schmidt

Die schärfsten Reaktionen kamen erwartungsgemäß von Devlet Bahceli, dem Vorsitzenden der rechtsextremen MHP, der selbst bei jeder Gelegenheit den Wolfsgruß zeigt. Bahceli sprach im Zusammenhang mit den Reaktionen in Deutschland und der UEFA-Untersuchung von „Schikanen“ und „Provokationen“. Demirals Siegtreffer habe offenbar „viele kranke Kreise gestört“. Es sei „einseitig und falsch“, dass sich die UEFA an dieser „üblen Karawane, deren Feindseligkeit gegenüber der Türkei offensichtlich ist, beteiligt“.

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Das Zeichen, mit dem Demiral seinen Torschuss gefeiert habe, sei „die Botschaft der türkischen Nation an die Welt“, sagte Bahceli. Erst vor einer Woche hatte Bahceli angekündigt, er wolle den Nordirak, die griechischen Inseln der östlichen Ägäis, das zu Griechenland gehörende Westthrazien und die nordgriechische Stadt Thessaloniki der Türkei einverleiben.