Berlin/Leipzig. Beim 2:1-Sieg der Türkei über Österreich zeigt ein Spieler den faschistischen „Wolfsgruß“. Wie die Handgeste einzuordnen ist.

Eltern, Lehrern und Kindern dürfte die Geste aus der Schule bekannt vorkommen. Dort wird der „Schweigefuchs“ immer dann gezeigt, wenn Stille im Klassenzimmer gewünscht ist – einprägsam und spielerisch. Doch das Handzeichen, bei dem der kleine Finger und der Ringfinger wie Ohren aufgestellt und alle anderen Finger auf den Daumen gepresst werden, ist weit mehr als nur ein Zeichen für Ruhe – sondern aus politischer Sicht höchstproblematisch.

Beim Sieg der Türkei über Österreich (2:1) in Leipzig stand nicht ausschließlich der Sport im Vordergrund. Als der türkische Nationalspieler Merih Demiral das zwischenzeitliche 2:0 im EM-Achtelfinale schoss, zeigte er nach seinem Treffer die „Schweigefuchs“-Geste gen Himmel, und zwar mit beiden Händen. Die Geste gilt als Symbol türkischer Rechtsextremer und wird „Wolfsgruß“ genannt.

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„Wolfsgruß“ bei der EM 2024: Was steckt hinter der Handgeste?

Laut des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) gilt der Wolfsgruß als Erkennungssymbol der Grauen Wölfe. Damit sind Mitglieder der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung gemeint, auch „Ülkücü“-Bewegung genannt. „Ülkücü“ wiederum bedeutet übersetzt „Idealist“ und verdeutlicht die rechtsextreme sowie rassistische und antisemitische Haltung der Bewegung.

Heißt im Umkehrschluss: Wer den Wolfsgruß zeigt, bekennt sich zur „Ülkücü“-Ideologie. Der BfV beschreibt, dass „Ülkücü“-Anhänger die Geste oftmals verharmlosen wollen und sie als bloßes Zugehörigkeitsbekenntnis zu einer uralten Volksgruppe umdeuten. Teilweise werde der Gruß aber nicht von allen Rechtsextremen verwendet und von einigen sogar wegen seiner eindeutigen Botschaft vermieden.

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Handgeste als Provokation auf Kundgebungen

Doch warum wird ausgerechnet ein Wolf dargestellt? Laut des BfV habe das Tier eine herausragende Bedeutung für türkische Rechtsextremisten, weil es unter anderem als Abstammungs- und Machtsymbol diene. Einige Menschen zeigen den Wolfsgruß auch, um politische Gegner, zum Beispiel bei öffentlichen Kundgebungen, zu provozieren, so das BfV. So argumentiert die Bundesbehörde, dass „nicht jeder Verwender dieses Grußes ein türkischer Rechtsextremist sein“ müsse, auch wenn „das Zeigen des Wolfsgrußes ein Bekenntnis zur „Ülkücü“-Ideologie ist“.

Eine Erklärung, aus welchen Beweggründen der Fußballer den doppelten Wolfsgruß in den Leipziger Nachthimmel reckte, lieferte der türkische Nationalspieler nach der Partie.

„Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun“, sagte Demiral. „Deswegen habe ich diese Geste gemacht. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die diese Geste auch gemacht haben.“ Es stecke „keine versteckte Botschaft“ dahinter. „Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein und das ist der Sinn dieser Geste“, so der Torschütze. „Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin.“ Er hoffe auf weitere Gelegenheiten, diese Geste zu zeigen.

So oder so: Die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland hat mit der gezeigten Geste von Merih Demiral ihren ersten handfesten politischen Skandal.

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