Brüssel. Das Personalpaket für die EU-Spitzenjobs steht. Wer was wird, welche Rolle Olaf Scholz spielte, wie es für von der Leyen weitergeht.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die erste Hürde für eine zweite Amtszeit genommen. Die Staats- und Regierungschefs werden die 65-jährige Deutsche am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel offiziell als einzige Kandidatin für das Amt nominieren und dem EU-Parlament zur Wahl vorschlagen. Ob die Christdemokratin Mitte Juli vom Parlament tatsächlich mit absoluter Mehrheit gewählt wird, ist aber noch offen.
Die Nominierung von der Leyens ist Teil eines Personalpakets, auf das sich Spitzenpolitiker der drei großen Parteifamilien der Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen am Dienstag final geeinigt haben – an der Verständigung beteiligt war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
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Zur Einigung gehört weiter, dass die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas wie erwartet EU-Außenbeauftragte wird. EU-Ratspräsident als Gegenpart von der Leyens wird der frühere portugiesische Regierungschef António Costa, der zu den Sozialdemokraten gehört.
Das Paket mit den drei Personalien war eigentlich schon beim EU-Gipfel am Montag voriger Woche einigungsreif, doch war eine Verständigung unter anderem an überraschenden Forderungen der christdemokratischen EVP gescheitert: Sie wollte unter Hinweis auf ihren Wahlsieg Costa nach zweieinhalb Jahren als Ratspräsident ablösen und einen Konservativen ins Amt wählen. Diese Forderung gab die EVP nun für die finale Verständigung auf.
Prominente Unterhändler spielten entscheidende Rolle
Costa wird nach den Regeln zunächst für zweieinhalb Jahre gewählt. Aber wenn er den Job zufriedenstellend ausübt, soll er wie bislang üblich für eine zweite Amtszeit gewählt werden. Der Sozialdemokrat Costa soll im Gegenzug zusagen, die Mehrheitsverhältnisse – also die starke Position der EVP – zu berücksichtigen, wenn er als Regisseur der Gipfeltreffen von Staats- und Regierungschefs die Schwerpunkte festlegt. Das Personalpaket gilt als ausgewogen, weil es sowohl die drei tragenden Parteien berücksichtigt als auch die regionale Balance wahrt – mit Vertretern Süd- und Osteuropas neben der Deutschen von der Leyen.
Der 62-jährige Costa war im vorigen Herbst nach gut acht Jahren Amtszeit als Regierungschef Portugals wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten, der Verdacht beruhte aber auf einem Irrtum bei der Auswertung abgehörter Telefonate, wie sich später herausstellte. Die 46-jährige Kallas war von 2014 bis 2018 EU-Abgeordnete und hat damit intensive Brüssel-Erfahrung. Seit 2021 regiert sie in Tallin, hat sich seitdem in Europa entschlossen dafür eingesetzt, die Ukraine umfassend zu unterstützen. Sie fordert von der EU, mit Russland unter Wladimir Putin eine harte Konfrontation nicht zu scheuen. Putin hat Kallas auf eine Fahndungsliste setzen lassen.
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Für die Einigung hatten die drei Parteifamilien prominente Unterhändler eingesetzt: Für die Christdemokraten verhandelten der polnische Premier Donald Tusk und sein griechischer Kollege Kyriakos Mitsotakis, für die Sozialdemokraten Bundeskanzler Olaf Scholz und der spanische Premier Pedro Sánchez, die Liberalen vertraten der französische Präsident Emmanuel Macron und der scheidende niederländische Regierungschef Mark Rutte.
Der offizielle Gipfelbeschluss gilt jetzt nur noch als Formsache, die qualifizierte Mehrheit ist sicher. Einzig von der Leyen muss weiter bangen. Die drei Parteifamilien, die von der Leyen schon beim letzten Mal mit ganz knappem Ergebnis ins Amt gebracht hatten, haben rechnerisch zwar auch diesmal eine Parlamentsmehrheit von 406 der 720 Sitze. Doch weil es keinen Fraktionszwang gibt und von der Leyens Stil manche Abgeordnete geärgert hat, ist fraglich, ob sie die erforderlichen 361 Stimmen erreicht.
Überlegungen, dass sich die Deutsche auch mit den Stimmen der Rechtsaußen-Parteien wählen lässt, erfahren nun einen Dämpfer: Die Personal-Unterhändler vereinbarten, dass von der Leyen zwar auf die rechte Regierungschefin von Italien, Giorgia Meloni, zugehen soll – aber nur mit Blick auf ihr Regierungsamt und den künftigen italienischen EU-Kommissar, nicht in ihrer Funktion als Vorsitzende der Rechtsaußen-Partei Fratelli d’Italia mit ihren 24 Abgeordneten im EU-Parlament.