Berlin. Die Freiheit ist nicht nur von außen, sondern zunehmend auch von innen bedroht. Mit dem Rotstift lässt sie sich nicht verteidigen.
Es gibt Sätze, die man nur ungern hört. „Das sieht nicht gut aus“, gehört dazu – zumindest, wenn es aus dem Mund eines Arztes kommt. Ähnlich sind die Dinge gelagert, wenn der Chef einer Sicherheitsbehörde sagt, dass es zur Sicherheitslage in Deutschland „nicht viel Positives zu berichten“ gebe.
So ist es am Dienstag geschehen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, stellte gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den aktuellen Jahresbericht seiner Behörde vor. Tenor: Die Demokratie in Deutschland ist zunehmend unter Druck. Das ist zwar keine neue Erkenntnis. Aber sie tritt angesichts der jüngsten Wahlergebnisse und der diversen Krisen im In- und Ausland viel deutlicher zutage als in den vergangenen Jahren.
Zehntausende Menschen hierzulande sind nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes links- oder rechtsextrem gesinnt. Zum Teil sitzen sie in den Parlamenten, etwa für die AfD. Eine zunehmende Zahl von Extremisten ist gewaltbereit. Gefahren gehen überdies vom militanten Islamismus aus sowie von Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyber-Angriffen. Russlands hybride Kriegsführung gegen den Westen und Chinas globaler Machtanspruch sind längst innenpolitische Probleme ersten Ranges geworden.
Nun wäre es leicht, der hiesigen Politik oder den Sicherheitsbehörden selbst die Verantwortung für diese bedenklichen Entwicklungen zuzuweisen. Wer dies tut, verkennt Ursache und Wirkung – und wie komplex Sicherheit in einem föderalen Staat mit 16 Bundesländern organisiert ist. Es gibt etliche Regierungen, Behörden, Zuständigkeiten.
Radikalisierung: Abschotten kann sich Deutschland nicht
Es ist ja auch nicht so, dass Deutschland eine Insel wäre: Vieles von dem, was hierzulande passiert, wird von außen ins Land getragen. Das lässt sich begrenzen, aber kaum vollständig unterbinden – es sei denn um den Preis der Selbstisolation. Für Deutschland ist das kein gangbarer Weg. Grundsätzlich sind überall auf der Welt starke Tendenzen der Radikalisierung zu beobachten, gerade auch in den westlichen Demokratien. Deutschland ist da keine Ausnahme, sondern ein Beispiel unter vielen.
Innenministerin Faeser sagte am Dienstag: „Wir müssen unsere Demokratie aktiv verteidigen.“ Da hat sie recht. Die Aufgaben dürften in den kommenden Jahren eher größer als kleiner werden. Die vom Kanzler ausgerufene Zeitenwende darf sich nicht auf die Außen- und Sicherheitspolitik beschränken. Sie muss sich auch auf die Innenpolitik erstrecken, ohne dass die Freiheit der Bürger Schaden nimmt.
Der Staat wird in den kommenden Jahren deutlich mehr Geld für die Innere Sicherheit ausgeben müssen, als er das heute tut. Das gilt für den Bund wie für die Länder. Es braucht leistungsfähigere Polizeien und Sicherheitsbehörden, mehr Digitalisierung, deutlich mehr Zivilschutz und eine leistungsfähige Cyber-Abwehr. Auch eine bessere Ausstattung der Justiz gehört dazu.
Haushalt: Lindner verlangt erhebliche Einsparungen
Die Realität ist freilich eine ganz andere: Der Staat setzt den Rotstift an. In den laufenden Haushaltsverhandlungen für 2025 fordert Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) umfassende Einsparungen, auch von sicherheitsrelevanten Ressorts. Allein Innenministerin Faeser soll gegenüber dem laufenden Jahr mehr als eine Milliarde Euro einsparen.
Auf Dauer wird der Staat so sein Sicherheitsversprechen nicht einhalten können. Dessen sollten sich alle Akteure bewusst sein. Dabei ist Sicherheit genau das, was die Bürger in Krisenzeiten vom Staat verlangen. Und zwar völlig zu Recht.
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