Düsseldorf. Der Skandal um mutmaßlich ergaunerte Aufenthaltstitel für reiche Chinesen und zweifelhafte Parteispenden wirft neue Fragen auf.

Im Skandal um eine mutmaßliche Luxus-Schleuserbande, die vermögenden Chinesen gegen hohe Geldzahlungen Hunderte Aufenthaltstitel erschlichen haben soll, sind NRW-Kommunen und -Kreise offenbar schon vor sieben Jahren erstmals gewarnt worden.

Wie das Auswärtige Amt unserer Redaktion bestätigte, sind über das Generalkonsulat im südchinesischen Kanton entsprechende Hinweise an die zuständigen lokalen Behörden weitergereicht worden. „Falls bei einem Visumantrag Auffälligkeiten bestehen oder der Verdacht auf falsche Motive beim Visumantrag, teilt die Visastelle die Erkenntnisse mit den beteiligten inländischen Behörden. Auch in diesem Fall haben die Visastellen bereits 2017 und 2018 über die Auffälligkeiten und einen möglichen Missbrauch bei der Beantragung von Visa für Fachkräfte und Selbstständige berichtet“, hieß es im Außenministerium.

Unklar ist, wie in NRW mit diesen Hinweisen aus China umgegangen wurde und welche Behörden vom Verdacht des Visa-Betrugs schon damals Kenntnis erlangten. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt seit vier Jahren gegen ein Netzwerk um zwei Anwälte aus Köln und Frechen, die mit Dutzenden Helfern aus Politik und Verwaltung vermögenden Ausländern insbesondere aus China dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen verschafft haben sollen. Insgesamt sollen neun Millionen Euro an Provisionen und Bestechungsgeldern geflossen sein.

Luxus-Schleuser: Ein bundesweite Razzia zerrte im April die Ermittlungen ins Licht

Öffentlich wurden die Ermittlungen erst Mitte April, als über 1000 Beamte von Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft bei einer bundesweiten Razzia 101 Wohn- und Geschäftsräume durchsuchten. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ enthüllte daraufhin, dass die beiden Anwälte offenbar über Jahre die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern gesucht und mit üppigen Parteispenden die Landschaft in NRW „gewässert“ haben sollen.

Zu den Dutzenden Beschuldigten gehören neben einigen Verwaltungsbeamten auch der Dürener CDU-Landrat und der Solinger SPD-Oberbürgermeister, die sämtliche Vorwürfe bestreiten. Ein Dürener Kreismitarbeiter mit SPD-Parteibuch sitzt sogar seit Wochen in Untersuchungshaft, weil er mit 300.000 Euro aus dem Schleusertopf bestochen worden sein soll. Das kriminelle Modell: Mit fingierten Bescheinigungen sollen die Einwanderer aus Asien als angebliche Investoren oder gesuchte Fachkräfte behandelt worden sein und konnten sich fortan frei in der EU bewegen.

Landespolitisch schlagen die Ermittlungen hohe Wellen, weil allein Gliederungen der CDU rund 53.000 Euro an Parteispenden aus dem Umfeld der mutmaßlichen Schleuser erhalten haben. Ministerpräsident und CDU-Landeschef Hendrik Wüst stellte am Donnerstag erstmals eine Rücküberweisung des Geldes in Aussicht. Es sei klar, dass „die CDU von diesen Leuten einfach kein Geld haben will“. Bis zum Abschluss der Ermittlungen liegen die zweifelhaften Spenden auf einem Anderkonto bei einer Bonner Anwaltskanzlei.

NRW-Innenminister Reul traf den mutmaßlichen Schleuser-Chef achtmal

Der mutmaßliche Kopf der Bande, ein in der CDU bestens vernetzter Anwalt aus Frechen, hatte ausgerechnet Innenminister Herbert Reul (CDU) zwischen Februar 2022 und Frühjahr 2023 mindestens achtmal getroffen. Viermal im Ministerbüro, viermal auf Einladung oder durch dessen Anbahnung bei auswärtigen Veranstaltungen. Kurz vor der Landtagswahl im Mai 2022 gingen dann beim CDU-Kreisverband Rhein-Berg drei zweckgebundene Spenden für Reuls Wahlkampf in Höhe von knapp 30.000 Euro ein. Das Geld war in drei Tranchen unterschiedlicher Absendernamen von je 9990 Euro gestückelt. Ab 10.000 Euro muss ein Parteispender veröffentlicht werden.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) musste sich wegen zahlreicher Treffen mit dem mutmaßlichen Kopf der Schleuserbande und ungewöhnlich hohen Parteispenden erneut im Landtag einem Kreuzverhör stellen.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) musste sich wegen zahlreicher Treffen mit dem mutmaßlichen Kopf der Schleuserbande und ungewöhnlich hohen Parteispenden erneut im Landtag einem Kreuzverhör stellen. © dpa | Henning Kaiser

Reul musste sich am Mittwochabend erneut in der Fragestunde des Landtags einem 62-minütigen Kreuzverhör stellen. Bislang sind die Spenden und Treffen nicht Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Reul blieb bei seiner Darstellung, dass er von der Aussicht auf hohe Spenden gar nichts gewusst habe, als er Anwalt B. am 18. Februar 2022 zum Kennenlernen empfing. Selbst als gut zwei Monate später die für einen Kreisverband außergewöhnlich hohen Spenden eingegangen waren, sei bloß jemand „aus meiner Wahlkampftruppe“ informiert worden: „Da sind drei große Spenden eingegangen.“

Er habe damals nicht gewusst, dass es sich bei den Gönnern um zwei Firmen aus dem Geflecht von Anwalt B. handelte. Vielmehr habe er gedacht: „Da kommen Spenden und die wollen meine Arbeit unterstützen. Und das finde ich sehr hilfreich, da habe ich überhaupt kein Problem mit.“ Den intensiven Gesprächskontakt mit B. habe er zugelassen, weil der Mann einen tadellosen Leumund gehabt habe, in einer renommierten Berliner PR-Agentur tätig war und interessante Wirtschaftskontakte für das Thema Sicherheit verhieß: „Warum soll ich da jetzt was Böses vermuten?“, fragte Reul.

Schleuser-Spenden an die CDU: Wüst will kein Geld von „diesen Leuten“

Es sei bei der Anbahnung weder um Geld noch um Einflussnahme gegangen. Den Kontakt verschafft habe ihm ein „normaler Mensch“, den Reul so zitierte: „Da gibt’s einen Herrn B., der möchte Sie gerne kennenlernen und der möchte gerne mit Ihnen reden, weil der Sie gern unterstützen möchte, der findet Ihre Arbeit gut.“

Die Arglosigkeit nimmt dem erfahrenen und vor allem viel beschäftigten „Mr. Null Toleranz“ zumindest die Opposition im Landtag nicht ab. Ob er denn von frühen Hinweisen der Visastellen oder den seit Jahren laufenden Ermittlungen gegen den Schleuser-Kopf so gar nichts mitbekommen habe, insistierte FDP-Innenexperte Marc Lürbke. „Im Bereich des Innenministeriums“, sagte Reul, seien die Ermittlungen – sogar ohne Hinweis auf den Namen des Beschuldigten - erst eine Woche vor der Razzia im April bekannt geworden. Da habe die Bundespolizei um Unterstützung durch sechs Spürhunde gebeten. Spezialgebiet: Geldnoten erschnüffeln.