Berlin. Viele Krankenhäuser erwirtschaften nur noch Verluste. Nun will die Bundesregierung gegensteuern. Und die Versicherten sollen zahlen.
Die Berliner Ampel-Koalition will das Krankenhauswesen in Deutschland umkrempeln und dessen Finanzierung auf eine neue Grundlage stellen. Am Mittwoch brachte die Regierung die umstrittene Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg. Die Qualität der Behandlung soll besser werden. Gleichwohl gibt es heftigen Protest gegen das Vorhaben. Wir erläutern, was jetzt auf Patienten und Beschäftigte zukommt.
Krankenhaus-Reform: Was will Karl Lauterbach?
Der SPD-Politiker stellt vor allem die Finanzierung der Kliniken um. Hier wird es in Zukunft nicht mehr auf die so genannten Fallpauschalen ankommen. Für bestimmte Behandlungen gibt es bisher einen bestimmten Betrag von den Krankenkassen. Das verleitet die Kliniken nach Auffassung des Ministers dazu, bei der Behandlung der Patienten eher auf Masse statt auf Klasse zu setzen. Künftig sollen die Häuser 60 Prozent der Vergütung dafür bekommen, dass sie bestimmte Leistungen vorhalten. Lauterbach will damit die Versorgung in der Fläche sichern.
Zudem soll es verbindliche Qualitätsvorgaben geben. Die Kliniken sind angehalten, sich stärker zu spezialisieren. Der Umbau der stationären Versorgung soll aus einem Transformationsfonds bezahlt werden, in den auch jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro aus Beitragsgeldern der Versicherten fließen sollen. Lauterbach sagte: „Ohne die Strukturen der stationären Versorgung zu ändern, drohen Klinik-Insolvenzen, schlechte Behandlung und weite Wege.“ In Deutschland gibt es rund 1.900 Krankenhäuser mit zuletzt rund 1,2 Millionen Beschäftigten.
Länder machen nicht mit: Warum ist die Reform umstritten?
Die Länder werfen Lauterbach vor, in ihre Kompetenzen hineinzuregieren und sich nicht ausreichend mit ihnen abgestimmt zu haben. Sie fürchten außerdem, dass das Leistungsangebot in der Fläche abnimmt. Das wäre insbesondere in ländlichen Regionen ein Problem, wo schon jetzt die medizinische Versorgung oft unzureichend ist. Lauterbach hatte mehr als anderthalb Jahre mit den Ländern über die Krankenhausreform gerungen. Jetzt ist sein Gesetz so angelegt, dass er nicht auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen ist.
Was sagen Branchen- und Ärzteverbände?
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sieht durch die Stabilität der Krankenhausversorgung gefährdet. Bei einer Umsetzung der Regierungspläne drohten lange Wartelisten, Fehlanreize und mehr Bürokratie. Ähnlich äußerte sich die Chefin der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna. Aus ihrer Sicht ist die Reform darauf angelegt, die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland zu reduzieren. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, warf der Ampel vor, „bleibende Schäden der Krankenhauslandschaft“ in Kauf zu nehmen.
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Wie ist es überhaupt um die Krankenhäuser hierzulande bestellt?
So wie alle Bereiche des Gesundheitswesens stehen auch die Kliniken unter erheblichem Druck. Laut Krankenhausgesellschaft ist ihre Lage so schlecht wie noch nie. Im jüngsten Krankenhaus-Barometer (Dezember 2023) heißt es, dass fast 80 Prozent der Häuser im vergangenen Jahr ein negatives Ergebnis eingefahren haben dürften. Fast drei Viertel gehen für 2024 von einer weiteren Verschlechterung aus. Maßgeblich seien die gestiegenen Sach- und Personalkosten. Die Liquidität der Krankenhäuser sei stark beeinträchtigt. 2024 drohten so viele Klinik-Insolvenzen wie noch nie. 2023 gab es fast 40 Insolvenzen. 2024 könnte sich diese Zahl laut Barometer noch verdoppeln.
Hat Lauterbach für seine Reform eigentlich auch Unterstützer?
Ja – und zwar auch außerhalb der Berliner Ampel-Koalition. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, in der medizinisches Personal und Verwaltungsangestellte von Krankenhäusern organisiert sind, stellte sich am Mittwoch im Grundsatz hinter die Gesetzespläne. „Es ist gut, dass die Bundesregierung in Sachen Krankenhausreform aufs Tempo drückt“, sagte Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. Sie machte allerdings deutlich, dass die Gewerkschaft erhebliche Nachbesserungen verlangt.
Es brauche auch deutlich mehr Personal in den Kliniken. Es sei deshalb nicht verständlich, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft Verdi nicht in dem Ausschuss vertreten sein sollen, der die Qualitätskriterien festlegt. Bühler forderte auch „kurzfristige, zielgerichtete Hilfe“ für Häuser, denen die Schließung droht, noch bevor die Reform greift.
Auch die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, stärkte Lauterbach den Rücken: „Vieles von dem, was das Bundesgesundheitsministerium erarbeitet hat, hat das Potenzial, die Qualität des Gesundheitssystems im Sinne der Patientinnen und Patienten erheblich zu verbessern“, sagte sie. Im Gesetzgebungsprozess müsse jetzt aber weiter an der Finanzierung gearbeitet werden. Es könne nicht sein, dass allein die gesetzlich Versicherten für die Transformation zahlen müssten. Damit drohten Beitragserhöhungen. Auch die privat Versicherten sollten zahlen – oder der Staat die Transformation finanzieren.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts von Mittwoch ist jetzt der Bundestag am Zug. Das Gesetz ist so angelegt, dass die Länder es im Bundesrat nicht stoppen, sondern nur verzögern können. Sie behalten sich aber eine Klage vor dem Verfassungsgericht vor. Minister Lauterbach hofft, dass sein Gesetz ab dem kommenden Jahr greift.