Düsseldorf. Die AfD Ratingen verschickt Briefe an 16- und 17-Jährige. Darin geht es auch um das Verhältnis der Jugendlichen zu ihren Lehrkräften.

Die Lehrkräftegewerkschaft GEW kritisiert scharf einen Brief, den die AfD Ratingen kurz vor der Europawahl an Erstwählerinnen und Erstwähler verschickt hat. In dem Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, steht unter anderem der mit einem Zwinker-Smiley versehene Rat: „Vielleicht einfach mal hinterfragen, was der Lehrer oder die Tagesschau so von sich geben.“

GEW-Landesvorsitzende Ayla Celik: „Aufwiegelung von Jugendlichen“

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sieht dahinter den Versuch, Lehrkräfte zu „diffamieren“ und, „eine grundsätzliche Haltung des Misstrauens gegenüber Lehrkräften und öffentlich-rechtlichen Medien zu streuen.“ Ziel dahinter sei „politische Manipulation“. GEW-Landeschefin Ayla Celik sagte: „Es bleibt zu hoffen, dass die Jugendlichen, die über diese direkte Ansprache aufgewiegelt werden sollen, dies auch als solches erkennen und Demokratiefeinden nicht auf den Leim gehen und den Wolf im Schafspelz erkennen.“

„Es bleibt zu hoffen, dass die Jugendlichen Demokratiefeinden nicht auf den Leim gehen“: Ayla Celik, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
„Es bleibt zu hoffen, dass die Jugendlichen Demokratiefeinden nicht auf den Leim gehen“: Ayla Celik, NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. © dpa | Marcel Kusch

Ratinger AfD-Chef Bernd Ulrich verteidigt die Brief-Aktion

Der Brief wurde von der AfD Ratingen an etwa 4000 Adressen von bis zu 24-Jährigen verschickt. Der Verfasser, AfD-Stadtverbandsvorsitzender Bernd Ulrich, sagte auf Nachfrage, er stehe uneingeschränkt hinter der kritisierten Formulierung und gehe keiner Diskussion darüber aus dem Weg. Es sei bekannt, wo die GEW politisch stehe, also sei deren Kritik als politische Aussage zu verstehen. „Wir hören tagtäglich aus der Rückmeldung von Schülern, dass Lehrer ständig gegen das Gebot der politischen Neutralität verstoßen“, sagte Ulrich.

„Ich stehe uneingeschränkt hinter der Formulierung“: Bernd Ulrich, Leiter des AfD-Stadtverbandes in Ratingen.
„Ich stehe uneingeschränkt hinter der Formulierung“: Bernd Ulrich, Leiter des AfD-Stadtverbandes in Ratingen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

In dem Brief stehen weitere Formulierungen, an denen Adressatinnen und Adressaten Anstoß nehmen könnten. So ist die Rede davon, dass es „nur zwei natürliche Geschlechter“ gebe, dass man auch stolz sein dürfe, Deutscher zu sein. Ein weiterer Satz lautet: „Ihr wollt nicht mehr gendern und habt auch keine Lust mehr auf die ständige Panikmache rund ums Klima?“

NRW-Schulministerium: „Ratschläge von außen“ nicht nötig

Das NRW-Schulministerium erklärte auf Nachfrage, Schülerinnen und Schüler benötigten keine „Ratschläge von außen“. Die historisch-politische Bildung an den Schulen in NRW versetze Kinder und Jugendliche in die Lage, „unsere Welt in ihrer Komplexität mit ihren zahlreichen Problemen und vielfältigen Sichtweisen zu verstehen und vermittelt Kindern und Jugendlichen demokratische und menschenrechtliche Werte und Normen.“

Schülerinnen und Schüler lernten in der Schule, die eigene Meinung zu vertreten, aber auch die Meinung anderer zu respektieren. Die Lehrkräfte achteten die Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses im Unterricht, der sie zu Neutraltität verpflichte. Sie unterstützten die Kinder und Jugendlichen dabei, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Umstritten, aber legal: Parteien dürfen bei Kommunen vor Wahlen Adressen „kaufen“

Dass sich Parteien die Anschriften von möglichen Wählerinnen und Wählern -- auch von Minderjährigen -- besorgen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Grünen haben dies schon getan.

Das Bundesmeldegesetzes erlaube es Einwohnermeldeämtern, Parteien sechs Monate vor einer Wahl eine einfache Melderegisterauskunft zu gewähren, erklärte der Bundeswahlleiter auf Anfrage unserer Redaktion. Die Geburtsdaten der Wahlberechtigten dürften dabei nicht mitgeteilt werden. Einzelne Geburtstage dürfen nicht abgefragt werden, Alterskohorten aber schon

Wer will, kann der Herausgabe seiner Daten widersprechen. Allerdings nicht rückwirkend

Durch die Eingrenzung von Geburtsjahrgängen bei der Abfrage können jedoch Alterskohorten wie die Erstwähler erfasst werden. Für jede Melderegisterauskunft müssen die Parteien in der Regel einige Cent Gebühren bezahlen. Spätestens einen Monat nach dem Wahltermin müssen die Adressbestände von den Parteien wieder gelöscht werden. Wer grundsätzlich nicht angeschrieben werden will, der kann der Herausgabe seiner Daten bei den Meldebehörden widersprechen. Nachträglich geht das aber nicht.

Mehr zum Thema