Düsseldorf. 16-Jährige in NRW bekommen vor der Europawahl Post von den Grünen, denen sie ihre Anschrift nie gegeben haben. Was dahintersteckt.
Wenige Tage vor der Europawahl wird der Kampf um die diesmal erst 16-jährigen Erstwähler von den Parteien überraschend nicht nur in den sozialen Medien geführt, sondern auch mittels Ankauf von Privatadressen bei den Meldebehörden.
Jugendliche in Nordrhein-Westfalen, die am 9. Juni erstmals über die Zusammensetzung des neuen Europaparlaments abstimmen dürfen, erhielten zuletzt ein persönliches Schreiben der Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke nach Hause. „Woher haben die Grünen meine Adresse?“, fragten sich viele Empfänger. Die Grünen hätten sich besonders dafür eingesetzt, „dass deine und alle nachfolgenden Generationen schon mit 16 wählen können“, heißt es in dem Brief, der doppeldeutig „Das erste Mal: Was Du wissen solltest“ überschrieben wurde.
Parteien müssen Adressen nach der Wahl wieder löschen
„Die Anfragen der Daten erfolgen in der Regel durch unsere Kreisverbände vor Ort. Dabei fragen sie die Daten der Alterskohorten an, die erstmalig bei dieser Wahl wählen dürfen“, erklärte eine Parteisprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Die Adressen würden nicht für andere Zwecke verarbeitet oder an Dritte weitergegeben, versichern die Grünen.
Das Vorgehen verletzt offenbar nicht den Datenschutz. Das Bundesmeldegesetzes erlaube es Einwohnermeldeämtern, Parteien sechs Monate vor einer Wahl eine einfache Melderegisterauskunft zu gewähren, erklärte der Bundeswahlleiter auf Anfrage unserer Redaktion. Die Geburtsdaten der Wahlberechtigten dürften dabei nicht mitgeteilt werden.
Einzelne Geburtstage dürfen nicht abgefragt werden, Alterskohorten aber schon
Durch die Eingrenzung von Geburtsjahrgängen bei der Abfrage können jedoch Alterskohorten wie die Erstwähler erfasst werden. Für jede Melderegisterauskunft müssen die Parteien in der Regel einige Cent Gebühren bezahlen. Spätestens einen Monat nach dem Wahltermin müssen die Adressbestände von den Parteien wieder gelöscht werden. Wer grundsätzlich nicht angeschrieben werden will, kann der Herausgabe seiner Daten bei den Meldebehörden widersprechen.
Welche Parteigliederungen in NRW neben den Grünen noch den Adresskauf nutzen, um 16-Jährige direkt anzugehen, blieb unklar. Experten betonen, eigentlich seien persönliche Briefe „out“, da die Ansprache über Plattformen wie TikTok und Instagram erfolgversprechender sei.