Düsseldorf. Der Streit um den Klinik-Atlas eskaliert. Krankenhäuser werfen Karl Lauterbach „gefährliche Falschinformationen“ vor.
Der Streit über den vor einer Woche von der Bundesregierung eingeführten Bundes-Klinik-Atlas spitzt sich zu. Viele Kliniken in NRW beschweren sich über fehlerhafte Angaben in dem von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) als „übersichtlicher Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“ angepriesenen neuen Online-Angebot.
„Für Patientinnen und Patienten nicht nur ärgerlich, sondern überaus gefährlich“
„Für die Krankenhäuser und auch die Patientinnen und Patienten ist dieser offensichtliche Fehlstart des Bundes-Klinik-Atlas nicht einfach nur ärgerlich, sondern überaus gefährlich“, sagte Ingo Morell, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW), dieser Redaktion. Die von den NRW-Krankenhäusern gemeldeten Fehler zeugen nicht von einzelnen Problemen, sondern von einer „systematischen Fehlkonzeption“.
Fehlerliste des Bundes-Klinik-Atlas nennt hunderte Ungereimtheiten
In einer aktuellen Übersicht, die dieser Redaktion vorliegt, listen die Kliniken in NRW hunderte Falschinformationen und Ungereimtheiten auf. So werden zum Beispiel für das St. Vincenz-Krankenhaus in Datteln im Klinik-Atlas nur 1300 statt 2300 Geburten angezeigt. In Dutzenden Kliniken ist die Bettenzahl falsch angegeben. Eines der laut Krankenhausgesellschaft besten Krankenhäuser zur Behandlung von Lungenkrebs, das Krankenhaus Bethanien in Solingen, tauche im Klinik-Atlas bei der Suche nach Lungenkarzinom-Behandlung gar nicht auf.
„Die Krankenhäuser haben immer wieder betont, dass sie nichts gegen Transparenz haben. Doch der Bundes-Klinik-Atlas schafft keine Transparenz, er gaukelt ein Trugbild vor“, wettert Morell. Patientinnen und Patienten würden mit dem offiziellen Siegel der Bundesregierung unsachlich und falsch informiert. Der Bundesgesundheitsminister, der den Krankenhäusern seit zwei Jahren immer wieder schlechte Qualität unterstelle und ihnen das Image von „Pfuschbuden“ andichte, sei selbst an einfachsten Qualitätskriterien gescheitert.
Bundesregierung möchte den Bürgern ein informatives Werkzeug zur Verfügung stellen
Mit dem Bundes-Klinik-Atlas sollen sich Patientinnen und Patienten sowie Angehörige vor einem geplanten Eingriff zum Beispiel darüber informieren können, in welchem Krankenhaus ein Eingriff wie häufig vorgenommen wird. Auch Informationen zur Zahl der Pflegekräfte können sie ablesen.
Mit dem neuen Onlinetool seien verständliche Informationen über gute Krankenhausversorgung „für alle zugänglich und nicht mehr nur das Privileg von wenigen“, hatte Karl Lauterbach vor einer Woche zum Start des Projektes gesagt.
Krankenhausärzte: „So eine Version kann man einfach nicht online stellen“
Auch der Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte (VLK) zerreißt den Klinik-Atlas in der Luft. Dort tauchten zum Beispiel große geburtshilfliche Kliniken auf, an denen angeblich kein einziger Kaiserschnitt vorgenommen worden sein soll. Der VLK spricht von grotesken Verzerrungen und Desinformation. „So eine Version kann man einfach nicht online stellen“, meint Michael A. Weber, Präsident des VLK.
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