Berlin. Ein Mann hat am Abend in der Bibliothek im Ortsteil Rudow auf die SPD-Politikerin eingeschlagen. Was über den Täter bekannt ist.
Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt am Mittwoch nach der Attacke vom Vortag sind drei Personenschützer schon 30 Minuten da, bevor die Senatorin eintrifft. Im Futurium am Alexanderufer stellt Franziska Giffey ab 11 Uhr die Solar-Kampagne des Berliner Senats vor. Zahlreiche Kamerateams warten schon auf sie.
Als die Limousine der Senatorin anrollt, wehrt Sie die Fragen der Journalisten routiniert ab: „Ich freue mich über ihr großes Interesse an der Solarstrategie“, sagt sie. „Zu dem Vorfall gestern werde ich erst nach dem Termin Stellung nehmen“, fügt die Senatorin hinzu. Äußerlich wirkt die Senatorin völlig unbeeindruckt von dem Angriff auf sie am Vortag. Die hochgesteckten Haare sitzen, genauso wie das auberginefarbene Kostüm , gewohnt perfekt.
Der mutmaßliche Täter wurde nach dem Angriff auf die Berliner Wirschaftssenatorin bereits identifiziert. Das teilte die Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft am Mittwochvormittag mit. Laut Polizei handelt es sich um einen 74-Jährigen, gegen den bereits polizeiliche Erkenntnisse aus dem Bereich des Staatsschutzes und der Hasskriminalität vorliegen. Der Mann soll noch heute (Mittwoch) einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Da Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung beim vorlägen, prüfe die Staatsanwaltschaft Berlin die Beantragung eines Unterbringungsbefehl zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Zudem werde noch heute die Wohnung des Tatverdächtigen untersucht.
Giffey war nach Informationen der Berliner Morgenpost in der Bibliothek ohne Personenschützer unterwegs. Lisa Frerichs, stellvertretende Sprecherin des Senats, sagte der Berliner Morgenpost, dass die Senatorin lediglich „anlassbezogen“ Personenschutz erhalte. Ihre offiziellen Termine würden an das LKA weitergegeben und dieses entscheide, ob Personenschützer sie begleiten sollen. Da der Termin in der Stadtteilbibliothek in Rudow nicht öffentlich bekannt gegeben wurde, sei man nicht von einer gefährlichen Situation ausgegangen.
Die Senatorin wurde nach der Attacke nicht von einem Krankenwagen, sondern vom eigenen Fahrer in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht, so die Sprecherin weiter.
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Nach dem Angriff: Giffey erschüttert und besorgt über „Freiwildkultur“
Die SPD-Politikerin habe sich kurzzeitig zur ambulanten Behandlung der Kopf- und Nackenschmerzen in ein Krankenhaus begeben. Der Polizeiliche Staatsschutz nahm den Angaben zufolge in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf.
Am Vormittag meldete sich Giffey mit einem langen Statement bei Facebook, in dem sie den Vorfall im Detail schildert: „Die Bibliotheksleiterin erklärte mir das aktuelle Programm und ihre vielen Aktivitäten. Auf dieses Gespräch konzentriert habe ich plötzlich von hinten einen harten Schlag an Kopf und Nacken gespürt. Ein Mann hatte mich mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert.“ Weiter teilte sie mit: „Nach dem ersten Schreck kann ich sagen, es geht mir gut.“
Die weiteren Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer in den vergangenen Tage mache sie besorgt und erschüttert, sie sehe eine „sich verstärkende Freiwildkultur mit der Menschen, die sich politisch in unserem Land einsetzen und engagieren, immer häufiger vermeintlich gerechtfertigten und hinzunehmenden Angriffen ausgesetzt sind.“
Am Abend nach dem Angriff sei sie auch beim Mitgliederforum der SPD gewesen, bestätigte ihre Sprecherin. Rudow ist Giffeys Wahlkreis. In der Gertrud-Haß-Bibliothek war sie schon sehr oft.
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) äußerte sich noch in der Nacht auf der Plattform X und verurteilte den Angriff aufs Schärfste. „Ich verurteile den Angriff auf Franziska Giffey und auf andere Politikerinnen und Politiker oder Wahlhelfende, die sich alle für eine streitbare Demokratie einsetzen, auf das Schärfste.“ Die Polizeien der Länder und des Bundes würden alles unternehmen, um Politikerinnen und Politiker zu schützen, so die Innensenatorin weiter. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner äußerte sich inzwischen zu dem Vorfall. Lesen Sie dazu auch: Wegner nach Attacke auf Giffey: „Werden das nicht hinnehmen“
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Zahl der tätlichen Angriffe nimmt sprunghaft zu
„Die Innenministerkonferenz ist sich gestern auf der Sondersitzung einig gewesen, dass die Demokratie effektiver vor Hetze und Falschinformationen bewahrt werden muss.“ Der strafrechtliche Schutz des Einzelnen vor solchen Angriffen diene zugleich dem Schutz der Demokratie selbst.
Am Dienstag hatten sich die Innenminister von Bund und Ländern vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe auf Politiker und Wahlkämpfer zu einer Sondersitzung getroffen. Sie sprachen sich für einen besseren Schutz politisch engagierter Menschen und auch für eine Verschärfung des Strafrechts aus.
Vergangene Woche Freitag war in Dresden der sächsische SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke niedergeschlagen und schwer verletzt worden. Zuvor soll die verantwortliche Gruppe einen 28-Jährigen angegriffen haben, der für die Grünen Wahlplakate anbrachte. Der Angriff sorgte bundesweit für Empörung, löste aber zugleich eine Welle der Solidarität aus. Am Dienstagabend erklärte die Polizei Sachsen, eine Grünen-Politikerin sei in der sächsischen Landeshauptstadt bedroht und bespuckt worden. Kurz zuvor war ein grüner Stadtteilbürgermeister in Essen Opfer einer Prügelattacke.
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