Empfehlungsschreiben vom grünen OB statt Arbeitszeugnis: Die Personalpolitik im NRW-Verkehrsministerium wurde gerichtlich gestoppt.

NRW-Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) ist in den Verdacht geraten, Schlüsselstellen in seinem Beamtenapparat systematisch mit parteinahen Öko-Lobbyisten zu besetzen. Vor allem in der Straßenbauabteilung soll der Frust über eine „feindliche Übernahme“ durch Umweltexperten aus dem grünen Vorfeld sehr groß sein. Mindestens zwei Gruppenleitungen und vier Referatsleitungen haben nach Informationen unserer Redaktion bereits ihren Posten vorzeitig verlassen oder beabsichtigen dies bis zum kommenden Jahr tun.

Als vorläufiger Höhepunkt der internen Auseinandersetzungen gilt ein Rechtsstreit, der erst jetzt bekannt wurde: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf untersagte dem Ministerium Ende des vergangenen Jahres, einen wissenschaftlichen Mitarbeiter des „Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie“ auf eine neu geschaffene Gruppenleiterstelle für Radverkehr und Verkehrssicherheit ins Haus zu holen. Die Stelle sollte mit rund 10.000 Euro pro Monat (Besoldungsstufe B4) ausgesprochen gut bezahlt sein.

Der Bewerber ist in der Öko-Szene bestens vernetzt und hatte etwa im Streit um Feinstaub-Fahrverbote in NRW-Innenstädten öffentlich Verständnis für die klagende Deutsche Umwelthilfe geäußert. Er sollte Krischers neuem Abteilungsleiter Udo Sieverding zugeordnet werden, einem Landschaftsökologen, der zuvor 25 Jahre für die Verbraucherzentrale NRW gearbeitet hatte.

Der Bewerber legte ein Empfehlungsschreiben des grünen OB aus Wuppertal vor

Man war sich der Sache offenbar so sicher, dass der Kandidat gar kein Arbeitszeugnis vorlegen musste, sondern nur ein Empfehlungsschreiben des Wuppertaler Oberbürgermeisters Uwe Schneidewind (Grüne), der von 2010 bis 2020 das „Wuppertal Institut“ geleitet hatte.

Dem Schreiben fehle es an Aktualität, weil Schneidewind seit Jahren nicht mehr Arbeitgeber des Kandidaten sei, und habe als Empfehlung „im Gegensatz zu einem Arbeitszeugnis eine von vornherein feststehende Zielrichtung“, monierte jedoch das Verwaltungsgericht.

Es blieb nicht die einzige Merkwürdigkeit. Im Bewerbungsverfahren kam es zu einem Interview und einem Rollenspiel, bei dem der Bewerber vom „Wuppertal Institut“ am allerbesten abgeschnitten haben soll. „Weder sind die Antworten beim Interview und das Verhalten der Bewerber beim Rollenspiel – zumindest zusammenfassend - dokumentiert, noch finden sich in irgendeiner Form Ausführungen zur Begründung der Punktevergaben“, wunderte sich das Gericht. Es erscheine zudem zweifelhaft, „ob der Beigeladene die konstitutiven Anforderungsmerkmale für die ausgeschriebene Stelle sämtlich erfüllt“.

Eine solche Klatsche für die Landesregierung in Konkurrentenstreitverfahren gilt als ungewöhnlich. Geklagt hatte ein langgedienter Ministerialbeamter mit SPD-Parteibuch, der sich mit einer auffallend schlechten Anlassbeurteilung seines Chefs von vornherein in eine schwierige Ausgangslage für die Bewerbung um die Gruppenleitung manövriert sah. Nach dem Veto des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts ließ Krischer überraschend umorganisieren: Die ausgeschriebene Gruppenleiterstelle wurde komplett einkassiert, die Referate im Organigramm neu sortiert.

Reagiert der Beamtenapparat in NRW nur allergisch auf Expertise von außen?

Das Ministerium verwies auf Anfrage darauf, dass man „aus personaldatenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte zu einzelnen Verfahren erteilen“ dürfe. Es wird jedoch bestritten, dass man die Führungsposition wieder gestrichen habe, weil sie nicht mit dem Wunschkandidaten besetzt werden durfte. „Unabhängig von dem Gerichtsverfahren hat im Hause in diesem Zeitraum eine strategische Umorganisation stattgefunden“, so Krischers Sprecher.

Die aktuelle Unruhe sei die normale Reaktion eines Beamtenapparats, der sich immer gegen Expertise von außen wehre, sagen die einen Ministeriumskreise. Es gehe da auch um eigene Karriereperspektiven und Pensionsansprüche. Der Kandidat des „Wuppertal Instituts“ sei überdies gar kein Grünen-Mitglied. Weder Krischer noch Abteilungsleiter Sieverding oder Staatssekretär Victor Haase (Grüne) würden ihn überhaupt kennen.

An dieser Darstellung gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Nach Informationen unserer Redaktion aus mit dem Fall betrauten Kreisen hat sich der Mann sogar in seinem Bewerbungsschreiben auf ein vorheriges Gespräch mit Staatssekretär Haase bezogen. Haase ist ein Vertrauter des früheren Umweltministers Johannes Remmel (Grüne).

„Ich habe elf Minister und 13 Staatssekretäre erlebt, aber so etwas gab es hier noch nie“, klagt ein erfahrener Beamter. Bestätigt sehen sich Verkehrsexperten, dies es schon 2022 für einen Fehler gehalten haben, dass die CDU in den Koalitionsverhandlungen den Grünen erstmals in der NRW-Geschichte gestattete, Umwelt- und Verkehrsministerium zu fusionieren. Das werde in einer systematischen Politik gegen Straßenneubau und Autos mit Verbrenner enden, wurde damals geunkt.

Wüst soll als Verkehrsminister den Sachverstand der Arbeitsebene mehr respektiert haben

Angeblich sehnt man im Haus bereits den früheren Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) zurück. Der heutige Ministerpräsident ist zwar bekannt dafür, dass ihm bei der Personalpolitik Kontrolle wichtiger ist als Kreativität und er sich am liebsten auf alte Kampfgefährten der Jungen Union verlässt. Auch im Verkehrsministerium platzierte er zwischen 2017 und 2021 seine engsten Vertrauten Marcel Grathwohl (heute Stabschef Staatskanzlei), HaPe Bröhl (heute Abteilungsleiter Staatskanzlei), Dirk Günnewig (heute Finanzstaatssekretär) und Thomas Dautzenberg (heute Landtagsdirektor) geschickt an den Schalthebeln der Macht. „Doch Wüst hat strikt zwischen politischer Leitung und Fachebene unterschieden“, heißt es wehmütig, „der hat die Arbeitsebene respektiert und für sich genutzt.“