Berlin. Die CSU will das Abwasser bundesweit künftig auf Cannabis-Abbauprodukte untersuchen lassen. Der Gesundheitsminister ist schon weiter.

Die geplante Entkriminalisierung von Cannabis ist der CSU ein Dorn im Auge. Die Christsozialen wollen nun sogar bundesweit das Abwasser untersuchen lassen. Davon erhoffen sie sich Rückschlüsse auf das Cannabis-Konsumverhalten der Deutschen. Anscheinend fürchtet man bei der CSU, dass der Konsum künftig drastisch steigen könnte.

„Wir brauchen mehr Kontrolle, damit Deutschland nicht zur Kiffernation Europas wird“, sagte der Fraktionschef der CSU im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, Anfang der Woche dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). In der Vergangenheit sei über das Abwasser schon ein erhöhter Drogenkonsum in europäischen Städten nachgewiesen worden.

Drogen im Abwasser: Wie funktioniert die Analyse?

Ausgangspunkt für die Analyse von Abwasser sind die kommunalen Kläranlagen in Deutschland. Dort wird all das Schmutzwasser aus Industrie und Haushalten aufbereitet. Durch mechanische, biologische und chemische Prozesse wird das Wasser gereinigt – und dabei stets auch seine Qualität überwacht. Doch ist auch eine flächendeckende Untersuchung zu Cannabis-Abbauprodukten denkbar?

Zunächst einmal muss man wissen, dass die meisten Drogen Rückstände im Urin hinterlassen. Cannabis-Konsum lässt sich beispielsweise über das Abbauprodukt THC-Carbonsäure (THC-COOH) nachweisen. Im Urin ist THC-COOH bei gelegentlichem Konsum zwei bis vier Tage, bei Dauerkonsum zwei bis sechs Wochen und in Einzelfällen auch länger nachweisbar.

Die Untersuchung des Abwassers ist also so etwas wie eine gigantische Urinprobe. Dabei werden in den Kläranlagen Wasserproben entnommen und schließlich im Labor untersucht. Finden sich Cannabis-Abbauprodukte, erlaubt dies Rückschlüsse auf den Konsum.

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Cannabis im Abwasser: Gesundheitsministerium hat bereits Studie in Auftrag gegeben

Und tatsächlich ist das Bundesgesundheitsministerium der CSU bereits zuvorgekommen. Das Ministerium von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat eine umfangreiche Abwasserstudie in Auftrag gegeben. Wissenschaftler der TU Dresden untersuchen seit Beginn des Jahres Abwasserproben von 25 Standorten in ganz Deutschland. Die Kläranlagen entnehmen dabei mehrere Teilproben über einen Tag verteilt. Daraus entstehen sogenannte Mischproben, die einmal im Monat an das Labor geschickt werden. Entnommen werden die Proben über 13 Wochen, zweimal in der Woche. Getestet wird neben Cannabis-Abbauprodukten auch auf andere illegale Drogen und legale Medikamente, erklärt Björn Helm, Leiter der AG Siedlungshydrologie von der TU Dresden im Gespräch mit unserer Redaktion.

„Zwar sind die Stoffe sehr stark verdünnt, doch die Methode ist verlässlich“, so Helm. Die Laboranalyse erfasse den Konsum sogar umfassender als Befragungen. Zudem ließen sich die Daten genauer aufschlüsseln – so könne man sehen, an welchen Tagen und in welchen Regionen wie viel Cannabis konsumiert wird. Besonders regionale Unterschiede seien mit Blick auf eine mögliche Ausweitung der Analysen wichtig, meint Helm. Ein verlässliches bundesweites Monitoring sei zwar möglich. Für eine genaue Hochrechnung auf den gesamtdeutschen Konsum sind allerdings mehr Proben aus mehr Standorten nötig. Je größer die regionalen Unterschiede in Deutschland sind, desto schwieriger wäre eine genaue Hochrechnung anhand von Stichproben – und desto mehr Proben und Regionen müsste man erfassen.

Mehrere Tausend Kläranlagen in Deutschland sind in Betrieb, um Abwasser aufzubereiten.
Mehrere Tausend Kläranlagen in Deutschland sind in Betrieb, um Abwasser aufzubereiten. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Cannabis: Folgestudie könnte Konsumanstieg belegen

Die derzeitige Studie konzentriert sich vor allem auf Ballungsgebiete und erlaubt so Rückschlüsse auf etwa 15 bis 25 Prozent der deutschen Bevölkerung. „Man bräuchte etwa Proben aus 100 Anlagen, um Aussagen über 50 Prozent der Bevölkerung zu treffen“, schätzt Helm. Grundsätzlich sei es aber möglich.

Weitere Analysen könnten künftige Umfragen zum Cannabis-Konsum also ergänzen und zeigen, ob der Konsum in den Folgemonaten der Entkriminalisierung tatsächlich steigt. Allerdings ergibt sich noch ein Problem, wenn man herausfinden will, ob tatsächlich mehr Menschen Cannabis konsumieren. Denn die Abwasserproben zeigen zwar, wie viel konsumiert wird, doch nicht von wem. „Wir können nicht sagen, ob wenige Menschen viel konsumieren, oder viele Menschen wenig konsumieren“, fasst Helm zusammen. Gut möglich dennoch, dass das Bundesgesundheitsministerium der CSU noch zuvorkommt und eine Folgestudie in Auftrag gibt. Ob Deutschland wirklich zur „Kiffernation Europas“ wird, bleibt erstmal fraglich.