Moskau. Auch in Russland trauern Menschen um Nawalny – zum Missfallen der Regierung. Unklar ist, wo sich die Leiche des Politikers befindet.

Es waren keine Massenproteste. Doch in vielen Städten Russlands gedachten Menschen am Freitag und Samstag dem 47-jährigen Kremlkritiker Alexej Nawalny, der offiziellen Angaben zufolge in einem Straflager im äußersten Norden Russlands gestorben ist. Die Polizei ging hart gegen die Trauernden vor: In mehreren russischen Städten wurden laut der Bürgerrechtsorganisation „Ovd-Info“ mehr als 200 Menschen bei Gedenkveranstaltungen festgenommen.

In der russischen Hauptstadt Moskau war bis in die Nacht hinein ein großes Polizeiaufgebot im Stadtzentrum unterwegs. Zwischenzeitlich hatten Menschen dort in einer langen Schlange gewartet, um Blumen am sogenannten Solowezki-Stein, der Opfern politischer Repressionen gewidmet ist, niederzulegen. Viele wurden zwar durchgelassen, jedoch von Polizisten eingeschüchtert und ständig ermahnt, den Ort schnell wieder zu verlassen. Im Laufe der Nacht sammelten Personen in Zivil die Blumen ein und packten sie in Müllsäcke.

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Gedenken an Nawalny: Niedergelegte Blumen werden entfernt

Auch in Uljanowsk begann man, Blumen zu beseitigen, so ein Bericht auf Telegram. In Nowosibirsk riegelten die Behörden unter Berufung auf eine angebliche Bombendrohung eine Statue ab. Und in vielen anderen Städten bewachte die Polizei Gedenkstätten für die Opfer politischer Gewalt zu Sowjetzeiten. In Wladiwostok, Chabarowsk, Woronesch wurden spontan errichtete Erinnerungsorte zerstört, die Polizei nahm die Personalien von Demonstranten auf.

Die Proteste, die Trauer vieler Menschen – den Kreml beeindrucken sie nicht. Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Reaktionen westlicher Politiker auf den Tod Nawalnys als „überdreht“ und „inakzeptabel“. Es gebe noch keine genauen Informationen von Medizinern, Gerichtsmedizinern oder dem Strafvollzug, sagte Peskow laut der Nachrichtenagentur Interfax am Freitagabend. Trotzdem gebe es bereits Reaktionen aus dem Westen.

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Nawalnys Mutter erhielt im Straflager die Todesnachricht

Eine Sprecherin aus dem Team von Nawalny hat den Tod des Oppositionellen inzwischen auf X (vormals Twitter) unter Berufung auf Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja bestätigt. Sie war in das Straflager im Norden Russlands gereist und habe dort die Todesnachricht erhalten. Ihr Sohn soll offiziellen Angaben zufolge am 16. Februar um 14.17 Uhr Ortszeit (10.17 Uhr MEZ) gestorben sein.

Alexej Nawalny, hier auf einem Bild aus dem Jahr 2018, soll am 16. Februar in einem russischen Straflager gestorben sein.
Alexej Nawalny, hier auf einem Bild aus dem Jahr 2018, soll am 16. Februar in einem russischen Straflager gestorben sein. © DPA Images | Evgeny Feldman

Ungereimtheiten gibt es in Bezug auf die mögliche Todesursache Nawalnys. Laut der Gefängnisbehörden hatte sich der Politiker nach einem „Spaziergang“ unwohl gefühlt und anschließend das Bewusstsein verloren. Man habe ihn nicht wiederbeleben können. „Notärztliches Personal bestätigte den Tod des Verurteilten. Die Todesursache wird derzeit geklärt.“ Der russische Staatssender RT behauptet, der 47-Jährige sei an einem „abgelösten Blutgerinnsel“, also an einer Thrombose, gestorben.

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Woran starb Nawalny? Arzt zweifelt an offiziellen Informationen

Dem widerspricht Nawalnys Arzt. Alexander Polupan war einer der Mediziner, die Nawalny 2020 nach seiner Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok behandelt hatten. Anfang 2023 war er Mitverfasser eines offenen Briefes von Ärzten, die medizinische Hilfe für Nawalny forderten. „Offensichtlich war sein Gesundheitszustand schlecht, wie es bei jeder Person der Fall sein würde, die sich in einer solchen Situation befindet“, erklärte Polupan gegenüber dem Online-Medium „Meduza“.

Dass Nawalny wegen einer Thrombose gestorben ist, hält er für unwahrscheinlich. Der Putin-Kritiker habe seiner Kenntnis nach auch keine Vorerkrankungen gehabt, die eine Thrombose wahrscheinlich machen würden, so Polupan. Zuletzt habe er „keine akuten gesundheitlichen Probleme“ gehabt. Dafür spricht auch ein Video, das unabhängige russische Medien kurz nach Nawalnys Tod veröffentlichten. Es zeigt den Kreml-Kritiker einen Tag vor seinem Tod während eines Gerichtstermins. 30 Sekunden ist der Clip lang. Zu sehen ist Nawalny, er spricht und lächelt. Laut Journalisten des Onlinemediums „Sota“ habe er „fröhlich, gesund und munter“ gewirkt.

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Wo ist Nawalnys Leichnam?

Klären lasse sich die Frage nach der Todesursache nur durch eine Obduktion. „Es gibt keine anderen Methoden“, so Polupan. „Wenn eine ehrliche Autopsie durchgeführt wird, sollte das Blutgerinnsel sichtbar sein. Ohne den Nachweis des abgelösten Blutgerinnsels kann die Diagnose einer Thromboembolie nicht gestellt werden.“

Experten gingen zunächst davon aus, dass die Leiche Nawalnys in Moskau obduziert werde. Doch ein Mitarbeiter des Straflagers teilte seiner Mutter mit, dass sich der Leichnam zur Untersuchung in Salechard befinde. Die Stadt liegt rund 50 Kilometer von dem Straflager entfernt, in dem Nawalny festgehalten wurde. Mitarbeiter des staatlichen Ermittlungskomitees hätten die Leiche abgeholt, hieß es weiter. Doch in der Leichenhalle von Salechard sei sie nicht, berichtet Nawalnys Sprecherin. „Wir fordern, dass der Körper von Alexej Nawalny der Familie umgehend übergeben wird.“

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