Berlin. Am Freitag meldeten russische Behörden den Tod von Kreml-Kritiker Nawalny. Inzwischen hat sein Team entsprechende Berichte bestätigt.
Alexej Nawalny ist tot. Das hat das Team des Kreml-Kritikers am Samstag offiziell bestätigt. „Alexej Nawalny wurde ermordet“, schreib dessen Sprecherin Kira Jarmysch auf X, ehemals Twitter. Bereits am Freitag hatte die Gefängnisverwaltung des nordrussischen Gebietes Jamal mitgeteilt, dass der russische Oppositionspolitiker gestorben sei.
Bisherigen Informationen starb Nawalny am Freitag in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion. Der 47-Jährige sei am Freitag nach einem Spaziergang in seiner sibirischen Strafkolonie zusammengebrochen und habe sofort das Bewusstsein verloren. Wiederbelebungsversuche von Sanitätern hätten keinen Erfolg gehabt, heißt es von offizieller Seite. Laut Nawalnys Team werde dessen Leichnam derzeit von Ermittlern untersucht.
Immer wieder hatte der Familienvater fehlende medizinische Hilfe, Schikane und sogar Folter im Straflager beklagt. Bis zuletzt zeigte sich der abgemagerte und sichtlich geschwächte Politiker aber, etwa bei Auftritten bei Gerichtsverhandlungen, entschlossen in seinem Ziel, ein „Russland ohne Putin“ erreichen zu können. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Freitag, Präsident Wladimir Putin sei in Kenntnis gesetzt worden. Weitere Details nannte er zunächst nicht.
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Alexej Nawalny tot: Er war zu 19 Jahren Straflager verurteilt worden
Nawalny hat eine jahrelange Haft in einer Strafkolonie verbüßt. Verurteilt wurde er unter anderem wegen Extremismus, er hat den Vorwurf stets bestritten. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Vertraute wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland.
Nawalny war zuletzt im Straflager in der Stadt Kowrow im Gebiet Wladimir rund 260 Kilometer östlich von Moskau inhaftiert. Er war zu 19 Jahren Straflager verurteilt worden und ist international als politischer Gefangener Moskaus eingestuft.
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Nach Giftanschlag: Nawalny wurde in Berlin behandelt – und ging zurück nach Russland
Seine Frau Julija und ihre beiden Kinder waren in steter Angst um Nawalnys Leben, seit er im August 2020 nur knapp das Attentat mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebte. Nawalny hatte Putin als „Mörder“ bezeichnet, der ein Killerkommando des Inlandsgeheimdienstes FSB damit beauftragt habe. Der Kreml wies das stets zurück.
Nachdem er an der Berliner Charité von den Folgen des Giftanschlags behandelt worden war, kehrte Nawalny am 17. Januar 2021 freiwillig nach Russland zurück und wurde noch am Flughafen verhaftet. Im vergangenen Dezember war der Politiker über mehrere Wochen verschwunden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Justiz ihn aus dem europäischen Teil Russlands in ein Straflager im hohen Norden Sibiriens verlegt hatte. Nawalny vermutete, dass er dort vor der anstehenden Präsidentenwahl im März möglichst isoliert werden soll.
Nawalny berichtete immer wieder über schlimme Haftbedingungen
In einem bei Instagram veröffentlichten Beitrag zum zweiten Jahrestag seiner Inhaftierung schrieb Nawalny, dass ihm in der Einzelhaft ein psychisch kranker Mann in eine Zelle gegenübergesetzt worden sei. „Er schreit 14 Stunden am Tag und drei in der Nacht“, teilte Nawalny mit. „Bekanntlich ist Schlafentzug eine der wirksamsten Foltern.“ Er habe viel erlebt und gelesen, aber das sei etwas Neues.
„Alles, was ihr lest über den Horror und die faschistischen Verbrechen unseres Gefängnissystems, das ist alles die Wahrheit. Mit einer Richtigstellung: Die Wirklichkeit ist noch schlimmer“, schrieb Nawalny. Es gebe etwa die bekannten Vergewaltigungen mit dem Schrubber – Dinge, die normalen Menschen nie in den Sinn kämen. „Das Gefängnissystem wird nicht nur von einer wahren Ansammlung an Schurken geführt, sondern von echten kranken Perversen.“
Nawalny führte immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzte die Gerichtsauftritte nicht zuletzt zur beißenden Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Zuletzt wurde Nawalny mit Beginn des Wahlkampfes zu Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet.
Große Bestürzung nach Tod von Nawalny
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte tiefes Bedauern über den Tod von Nawalny. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geht davon aus, dass Nawalny getötet wurde. Es sei sehr bedauerlich, dass Nawalny in einem russischen Gefängnis gestorben sei, sagte Selenskyj am Freitag laut offizieller Übersetzung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz in Berlin. Es ist für mich offensichtlich: Er wurde getötet. Wie andere Tausende, die zu Tode gequält wurden, wegen dieses einen Menschen.“
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