Berlin. US-Berichte über russische Atomwaffen im Weltall sorgen für Aufregung. Militärexperte Masala verweist auf einen wichtigen Vertrag.

Er zählt zu den bekanntesten Militärexperten in Deutschland: Carlo Masala. Der 55-Jährige lehrt Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Er beantwortet unserer Redaktion jede Woche die wichtigsten Fragen rund um die Kriege in der Ukraine und in Israel.

Herr Masala, US-Zeitungen berichten von einer „sehr besorgniserregenden“ russischen Militärkapazität im Weltraum. Es könnte um Atomwaffen gehen, die gegen westliche Satelliten eingesetzt werden könnten. Was denken Sie darüber?

Carlos Masala: Wir wissen momentan noch gar nichts. Gestern war in amerikanischen Quellen zunächst die Rede von einer Bedrohung für die nationale Sicherheit. Dann wurde halbherzig zurückgerudert, weil man gesagt hat, es gibt keine direkte Bedrohung, und wir wissen auch noch nicht, was es ist. Handelt es sich um einen nuklearangetriebenen russischen Satelliten oder um einen Satelliten, der auch über Nuklearkapazitäten verfügt? Wir wissen auch nicht: Ist er schon im Weltall oder haben die Russen ihn nur entwickelt und werden ihn womöglich bald in die Erdumlaufbahn schicken?

Je nach dem, was es ist: Wie viel Schaden kann so etwas anrichten?

Masala: Wenn es sich um eine russische Nuklearwaffe im Weltraum handeln sollte, wäre das ein ganz klarer Verstoß gegen den Weltraumvertrag, den die Amerikaner und Russen unterzeichnet haben.

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    Artikel 4 des Vertrages verbietet ausdrücklich die Stationierung von „Atomwaffen oder jeglicher Art von Massenvernichtungswaffen“. Außerdem sind auf dem Mond und anderen Himmelskörpern Militärbasen, Befestigungsanlagen, Waffentests oder Militärübungen verboten …

    Masala: Ein Satellit mit Nuklearkapazität würde den Russen die Möglichkeit geben, mit einer wesentlich kürzeren Vorwarnzeit Städte in den USA zu beschießen. Das wäre aus amerikanischer Sicht eine sehr konkrete Bedrohung. Nun gilt es abzuwarten, um was es sich da genau handelt.

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    Wie schätzen Sie die russischen Aktivitäten im Weltraum derzeit ein?

    Masala: Derzeit sehen wir wenig, aber der Weltraum ist von den drei großen Akteuren China, USA und Russland in der Vergangenheit recht stark militarisiert worden. Deswegen ist das eine Entwicklung, die zwar technisch überraschend sein mag, ansonsten aber zu erwarten war.

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    Hat Europa den Weltraum als militärisches Feld bisher zu sehr vernachlässigt?

    Masala: Wir holen langsam auf. In der Bundeswehr haben wir inzwischen ein eigenes Weltraumkommando. Auch andere europäische Streitkräfte kümmern sich. Aber wir sind schon hintenan in dieser Entwicklung. Klar ist: Wir werden keine Nuklearwaffen in den Weltraum schicken. Das All ist wichtig mit Blick auf Satelliten, und Satelliten sind für Operationsführungen und für Aufklärung wichtig – da sind wir nicht schlecht dabei. Das aber als Teil des militärischen Denkens zu betrachten, dahin kommen wir erst jetzt langsam.

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    Am Freitag startet die Münchner Sicherheitskonferenz. Was ist für Sie das wichtigste Thema auf der diesjährigen MSC?

    Masala: Das ist aus meiner Sicht die Frage, wie man eine langfristige Unterstützung der Ukraine garantiert. Sind wir in der Lage, die Ukraine mit dem, was sie braucht, dauerhaft zu versorgen?

    Und sind Sie da optimistisch?

    Masala: Ich erwarte auf der Sicherheitskonferenz viele politische Bekundungen, dass man das schaffen wird. Wir sind aber jetzt erst dabei, es richtig hinzubekommen. 2024 wird ein entscheidendes und schwieriges Jahr für die Ukraine werden.

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    Aktuell läuft eine Debatte darüber, wie Europa sich selbst verteidigen kann. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich darüber geärgert, dass seine Parteifreundin Katarina Barley sehr offen über europäische Atomwaffen gesprochen hat. Erwarten Sie, dass die europäischen Staaten sich generell bei der Verteidigungspolitik konsequenter und schlagkräftiger zusammenschließen werden?

    Masala: Nein, da bin ich nicht optimistisch. Wir müssen unterscheiden zwischen konventionellen und nuklearen Fähigkeiten. Der Verteidigungsminister hat recht: Diese Gespräche über nukleare Fähigkeiten sollte man im Hinterzimmer beginnen, anstatt sie in der Öffentlichkeit loszutreten. Zum Thema konventionelle Stärkung: Jedem ist klar, dass das etwas kostet. Das Geld ist in etlichen europäischen Ländern nicht im Überfluss vorhanden. Solange nicht klar ist, wer in den USA Präsident werden wird, denke ich, dass es in Europa bei einer gemeinsamen Verteidigungspolitik wenig Bewegung geben wird.