Berlin. Falscher Alarm: Die bundesweiten Bombendrohungen waren ein Fake. Aber gilt das auch für deren vermeintlichen Palästina-Kontext?

Es sind zahlreiche Institutionen und Firmen, die am Montag und Dienstag von Bombendrohungen betroffen waren. Das ZDF gehört dazu, auch die private Konkurrenz von RTL. Daneben der Berliner Hauptbahnhof, die SPD-Parteizentrale, ein Museum und diverse Schulen.

Inzwischen steht fest: Viele der Bombendrohungen, die am Montag an Schulen und anderen Institutionen eingingen, haben einen Palästina-Kontext, vermutlich sogar alle. Das erfuhr unsere Redaktion aus Sicherheitskreisen. Die Texte der Mails ähneln sich, mal sind sie auf Deutsch verfasst, mal auf Englisch. „Alle Ungläubigen sollen sterben“, heißt es da beispielsweise. Und natürlich: „Free Palestine“. Es geht um, genauer: gegen, Israel.

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Die Mailadressen sind fingiert. Es ist für die Polizei schwer, den Täterinnen oder Tätern auf die Spur zu kommen. Zuletzt machten ähnliche Drohungen in Frankreich Schule – buchstäblich, denn hinter etlichen Schreiben vermuten die dortigen Behörden junge Leute, viele von ihnen im Schulalter.

Die Sicherheitsbehörden haben unmittelbar vier Probleme:

  • Sie müssen jedem Fall nachgehen, können erst nach genauer Prüfung Entwarnung geben;
  • und schwerlich auf Anhieb erkennen, ob eine Drohung echt oder ein schlechter Scherz ist;
  • sie müssen mit Trittbrettfahrern rechnen;
  • und mit einer Zunahme solcher Drohungen, sollte der Krieg im Nahen Osten eskalieren.

Am Montag war erst mal von „Fakedrohungen“ die Rede. Überall: falscher Alarm. Vorläufig gibt es dem Vernehmen nach keinen Hinweis auf die Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat oder einer Terrorvereinigung.

Bombendrohungen: Die Länder sind am Zug, der Bund hält sich zurück

In solchen Fällen hätte Generalbundesanwalt Peter Frank die Ermittlungen umgehend an sich gerissen und das Bundeskriminalamt (BKA) eingeschaltet. Die Ermittlungsbehörden der Länder sind stattdessen am Zug.

Es sind so viele Drohungen im Raum, dass sich die Behörden erst mal einen bundesweiten Überblick verschaffen. Neben dem ZDF, dem Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, der Universität Münster (wobei wohl auch andere Hochschulen dubiose Mails erhielten) waren die Adressaten am Montag Schulen in vielen Städten: Karlsruhe, Mannheim, Erlangen, Regensburg, Augsburg, Solingen, Wuppertal, Mönchengladbach, Dresden, Erfurt und Chemnitz. Die endgültige Zahl kann sich noch ändern. Geografisch auffällig: Der Norden blieb verschont. Der regionale Schwerpunkt lag im Süden und im Westen der Republik.

Bei dem Schwerpunkt Schule drängt sich natürlich wie in Frankreich ein Verdacht über die Urheber auf: Für Hunderte Schülerinnen und Schüler fiel erst mal der Unterricht aus. Zumeist wurden die Schulen aufwendig durchsucht und evakuiert. Sind die Drohungen etwa ein Schülerstreich?

Bombendrohungen: Die Angst vor einem neuen „Modus Operandi“

Ähnlich groß war der Aufwand beim ZDF. Am Montag mussten 600 Mitarbeiter erst einmal ihren Arbeitsplatz in Mainz räumen. Experten des Landeskriminalamts sowie Hundeführer der Polizei waren im Einsatz.

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Ob die Mails von demselben Urheber stammen? Das ist naheliegend. Die Behörden halten sich bei der Frage nach Zusammenhängen allerdings bedeckt. Ihre Hauptsorge ist, dass sich ein neuer „Modus Operandi“ etabliert, eine Vorgehensweise, die außerordentlich beunruhigend wäre.

Bombendrohungen aus Protest

Solche Fake-Drohungen verursachen nämlich einen enormen Aufwand. Stets rückt die Polizei aus. Zur Erinnerung: In Paris musste das Schloss Versailles schon mindestens siebenmal evakuiert werden. Umso wichtiger wäre es, schnell die Täter zu finden und ihnen den Prozess zu machen; das würde Nachahmer abschrecken.

Falls sich die Lage im Gazastreifen verschärft – es spricht viel für eine israelische Offensive –, droht auch hierzulande eine Eskalation. Die Bombendrohungen sind dabei nur eine aktuelle Variante des Protests.

Mehrfach wurde das Schloss Versailles zuletzt wegen Bombendrohungen evakuiert.
Mehrfach wurde das Schloss Versailles zuletzt wegen Bombendrohungen evakuiert. © DPA Images | Christophe Ena

Hamas-Unterstützer: Innenministerin Faeser schlägt Alarm

Erst am Freitag hatte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Alarm geschlagen. In Wiesbaden hatte sie angekündigt, das BKA werde weiter die Online-Kanäle der Hamas und ihrer Unterstützer sperren, die islamistische Szene noch stärker in den Fokus nehmen. Vor allem gab Faeser bekannt, dass seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober in Deutschland mehr als 1100 Straftaten im Zusammenhang mit Antisemitismus registriert wurden.

Schon im ersten Halbjahr 2023 hatten die Behörden insgesamt 960 antisemitische Straftaten gezählt, darunter 25 Gewalttaten. Wohlgemerkt: vor der Zuspitzung im Nahost-Konflikt. Die Fake-Drohungen könnten ein Vorbote sein: künftiger Protestaktionen oder sogar Gewalttaten.

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