Berlin. Die Bundeswehr erforscht den Einsatz von Laserwaffen – mit Erfolg. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Systemen sind gewaltig.

Das Zielkreuz verfolgt ein Flugobjekt über dem Meer, im Hintergrund ist eine Steilküste zu erkennen. Plötzlich umhüllt ein Lichtball das Ziel, das Objekt stürzt ins Meer. Das kurze Video nahm die Bundeswehr in der Ostsee vor dem Truppenübungsplatz Putlos auf. „Der erste scharfe Schuss mit einer Hochenergie-Laserwaffe gegen ein dynamisches Ziel wurde erfolgreich durchgeführt“, kommentierte das Beschaffungsamt der Bundeswehr die Sequenz auf Twitter.

Laserwaffen – das klingt wie aus einem Film, in dem ein Raumschiff per Lichtstrahl feindliche Raketen oder gar ganze Planeten pulverisiert. Von solchen Szenarien sind die Bundeswehr und auch andere Armeen weit entfernt. Mit der Entwicklung von Laserwaffen beschäftigen sich Rüstungskonzerne und diverse Staaten aber seit Jahren, sogar Jahrzehnten. Nicht nur die Bundeswehr, auch die israelische Armee meldet inzwischen Durchbrüche bei der Erprobung dieser neuen Waffen.

„Es mag wie Science-Fiction klingen, aber es ist Realität“

„Es mag wie Science-Fiction klingen, aber es ist Realität“, erklärte im April 2022 der damalige israelische Regierungschef Naftali Bennet auf Twitter. Israel habe das neue Laser-Abfangsystem „Iron Beam“ („Eisenstrahl“) erfolgreich getestet, es könne gegen Drohnen, Raketen und Mörser eingesetzt werden. Die beschriebene Erfolgsmeldung der Bundeswehr stammt aus dem Oktober des vergangenen Jahres. Im April 2023 hat die Truppe eine Serie von Tests abgeschlossen.

Auf der Fregatte „Sachsen“ testete das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) einen Laserdemonstrator, entwickelt von den Firmen Rheinmetall und MBDA. Ein „herausforderndes Erprobungsprogramm“ mit verschiedenen Zieltypen an Land, zu Wasser und in der Luft sei „erfolgreich beendet“ worden und habe „wichtige Erkenntnisse“ für Bundeswehr und Industrie erbracht, sagt ein Sprecher des BAAINBw. „Die Laserwaffe hat weiterhin das Potential, die Fähigkeiten der Bundeswehr sinnvoll zu erweitern.“

Der Laserwaffendemonstrator der Firmen MBDA und Rheinmetall auf der Fregatte
Der Laserwaffendemonstrator der Firmen MBDA und Rheinmetall auf der Fregatte "Sachsen" © picture alliance/dpa/Bundeswehr | picture alliance/dpa/Bundeswehr

Laserwaffen schießen mit Licht – und brauchen weder Geschosse noch Munition

Anders als herkömmliche Waffen arbeiten Laserwaffen nicht mit Munition und Geschossen, sondern mit gebündeltem Licht. Darin liegt ein Vorteil: „Licht legt 300.000 Kilometer pro Sekunde zurück“, erläutert Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg. „Ein Laser trifft also unmittelbar, es vergeht kaum Zeit zwischen Abschuss und Einschlag. Die Flugbahn und der Weg eines Geschosses müssen somit beim Abschuss nicht einberechnet werden“, fügt der Physiker und Rüstungsexperte hinzu.

Ein weiterer Vorteil gegenüber herkömmlichen Luftabwehrsystemen: Die Produktion, der Einkauf, die Lagerung, der Transport und das Nachladen etwa von teuren Luftabwehrraketen ist nicht erforderlich. Die Energie für den Laser wurde im Fall der Testreihe der Bundeswehr aus dem Bordnetz der Fregatte „Sachsen“ gezogen. Bei der erforderlichen Energie handele es sich um hunderte von Kilowatt bis Megawatt, schätzt Neuneck. Je nach Reichweite, Größe und Beschaffenheit des Objekts, das zerstört werden solle. „Diese Energie muss vor Ort produziert werden, auf einem Schiff ist das mittels Generatoren möglich, auf einem Lastwagen eher nicht.“

Laserwaffen: Kosten pro „Schuss“ bei nur ein bis zwei Euro

Allerdings: Pro „Schuss“ fallen Rheinmetall zufolge Energieproduktionskosten in Höhe von nur ein bis zwei Euro an. Auch deswegen könnten Laserwaffen in Zukunft die Antwort auf eine neue Bedrohung aus der Luft sein: kleine, billige Drohnen, deren massenhafter Einsatz den Ukraine-Krieg prägt.

In einer aktuellen Analyse der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) ist in dem Zusammenhang von einer „Revolution“ die Rede. Kommerzielle Kleindrohnen kosten demnach nur noch 2000 US-Dollar pro Stück: „Dies ermöglicht den Einsatz von Drohnen in großen Mengen in diesem Krieg.“ Dies habe Folgen für die Zukunft der Luftverteidigung, die für das Flugabwehrsystem Iris-T genutzten Raketen seien schließlich „erheblich teurer“ als die kleinen Billigdrohnen, schreiben die MSC-Experten. Raketengestützte Luftabwehrsysteme, die in der Regel nur eine begrenzte Anzahl von Raketen tragen könnten, seien zudem „anfällig für überwältigende Schwärme von billigen bewaffneten Drohnen“.

Die neue Waffe gegen Attacken mit Billigdrohnen?

Laserwaffen könnten „in vielen Bereichen als Ergänzung und zur Unterstützung“ von bisherigen Waffensystemen genutzt werden, sagt der BAAINBw-Sprecher. „Laserwaffen haben insbesondere Vorteile im Bereich von Bedrohungen, die sehr günstig in der Herstellung und/oder in großer Zahl kommerziell leicht verfügbar sind.“ So könnten etwa kleine Drohnen „effektiv und kostengünstig“ bekämpft werden. Die Rüstungsfirma MBDA unterstützt dies: „Hochdynamische, kleine Ziele wie Klein- und Kleinstdrohnen können mit konventionellen Wirkmitteln nicht sinnvoll bekämpft werden.“

Eine direkte Antwort auf die „Drohnen-Revolution“ sind Laserwaffen allerdings nicht, Waffenexperte Neuneck verfolgt die Erfolgsmeldungen über gelungene Tests mit Skepsis: „Wir wissen nicht, mit welcher Reichweite, bei welchem Wetter und gegen welche Ziele genau diese Waffen getestet werden“, sagt Neuneck, der auch Sprecher der Arbeitsgruppe Physik und Abrüstung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ist. „Der Einsatz unter realen Bedingungen gegen feindliche Flugkörper ist eine ganz andere Schwierigkeitsstufe.“

Physiker: Schlechtes Wetter und Regen schwächen Laserwaffen

Der Naturwissenschaftler weist auf die Nachteile von Laserwaffen hin: Nicht nur nimmt die Energie eines Lasers ab, je größer die Entfernung des Ziels ist. „Zudem beeinflussen auch schlechtes Wetter wie zum Beispiel Regen die Energiedichte des Lasers stark, damit sinkt die Effizienz“, sagt Neuneck. „Laserwaffen sind also bisher noch Schönwetterwaffen.“

Mit Aussagen zur Leistungsfähigkeit des getesteten Demonstrators halten sich die beteiligten Firmen zurück. Bei der Testserie seien „Tracking und Bekämpfung“ gegnerischer Objekte „ausgiebig unter verschiedensten Rahmen- und Wetterbedingungen, auch unter einsatznahen Bedingungen“ erprobt worden, gibt MBDA an. Zur Reichweite macht der Konzern keine konkreten Angaben, Rheinmetall erklärt: „Hierzu können wir uns aus Geheimschutzgründen leider nicht äußern.“

Der Laserwaffendemonstrator ist in einem 20-Fuß-Container integriert, der auf Deck der Fregatte „Sachsen“ installiert wurde
Der Laserwaffendemonstrator ist in einem 20-Fuß-Container integriert, der auf Deck der Fregatte „Sachsen“ installiert wurde © Rheinmetall AG | Rheinmetall AG

Experte: Laserwaffen in nächsten zehn Jahren kein entscheidender Faktor

Offen ist auch, wann die Bundeswehr Laserwaffen zum Einsatz bringen könnte. Diese seien eine innovative Technologie, „die großes Potential besitzt“, antwortet der BAAINBw-Sprecher auf eine entsprechende Frage lediglich. Allerdings seien „weltweit nach hiesiger Kenntnis auch noch keine operativen Laserwaffensysteme gegen dynamische Ziele in der Nutzung“. Nach den abgeschlossenen Tests sei der nächste Schritt die Entwicklung, erklärt MBDA, die Voraussetzungen würden vermutlich 2024 mit einer Auswahlentscheidung geschaffen.

Waffenexperte Neuneck beurteilt die Entwicklung der Waffen zurückhaltend: „Ich erwarte nicht, dass Laserwaffen in den nächsten zehn Jahren ein entscheidender Faktor auf dem Gefechtsfeld werden“, sagt der Forscher. „Sie werden also die bisherigen Systeme zur Luftverteidigung absehbar nicht ersetzen.“

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